Die Ehe – eine Quelle des Wohlstands?

Scheidung bedeutet oft Armut und ist Quelle der Ungleichheit.

Bis zu zwei Drittel der neuen Ehen werden geschieden. Fast 50 Prozent der Neugeborenen kommen außerhalb einer Ehe zur Welt. Diese Erscheinungen zeigen, dass sich unsere Gesellschaft rasch und nachhaltig verändert. Zum Besseren?

Die hohe Scheidungszahl und die wachsende Zahl der Lebensgemeinschaften, auch der Lebensabschnitts-Partnerschaften muss nicht negativ an sich sein. Auch außerhalb der Ehe gibt es leistungsstarke Familien, in denen einer für den anderen einsteht, glückliche menschliche Beziehungen. Die zweite Ehe ist oft besser als die erste. Viele Paare erproben die Tragfähigkeit ihrer Beziehungen.

Aber wir sehen rasch zunehmende Entfremdungen: Familien, in denen sich ein Elternteil davonmacht; Verwahrlosung von Kindern; früher Drogenmissbrauch; einer von zehn Schulanfängern ist heute verhaltensauffällig; mehr Schulabbrecher; scheiternde Alleinerzieher... Die in der Regel sorgfältigen Fürsorgerinnen wissen von der Härte ihre Berufserfahrung zu berichten. Für immer mehr Personen muss der Staat Vater- und/oder Mutterersatz schaffen, die so schwer zu ertragende Vereinzelung und Vereinsamung beginnt oft schon in jungen Jahren.

In den USA, so berichtet der „Economist“1)sind die Zerfallserscheinungen weit voran, aber auch besser erforscht. Studien zeigen ein deutliches Bild: Schulabbrecher haben steigende, Absolventen sinkende Scheidungsziffern. Scheidung bedeutet oft Armut und ist Quelle der Ungleichheit. Kinder in vollständigen Familien werden zum Erfolg erzogen; sie sind besser in der Schule, kriegen bessere Arbeit und binden sich selbst in vollständigen Familien. Die Ehe ist wohlstandbegründend; wer bis zum Tode verheiratet bleibt, wird viermal so reich wie ein Single. Wo der Vater fehlt, gibt es die größten Schwierigkeiten, die größte spätere Chancen-Ungerechtigkeit.

Die Scheidung der Eltern ist für 40 Prozent der Kinder besser, weil sie nicht Opfer des bitteren Rosenkieges werden, für 60 Prozent aber die Katastrophe für ihre Zukunft. Es hängt von den Umständen ab. In den USA wird jetzt ein Bündel von Maßnahmen gesetzt, um Scheidungen zu vermeiden. Bei uns in Österreich, so zeigen die Wertestudien, erblicken über 80 Prozent den Sinn ihres Lebens in geglückten Beziehungen. Trotzdem scheitern so viele. Die Ursachen sind nicht erforscht, man mutmaßt: fehlende Streitkultur, die erleichterte Scheidung, die sexuelle Befreiung, die gesellschaftlichen Einstellungen und schwindende Traditionen.

Der Staat kann nur wenig tun. Wesentlich sind die Vorbilder in der Familie, in den Medien, v. a. im Fernsehen. Die Kirchen und Religionsgesellschaften leisten schon viel in der Beratung, vor der Ehe und danach, es sollte noch mehr sein. Die Väter müssten stärker an ihre Verantwortung gemahnt werden, die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung ist zu wenig. Das Wissen, welche Sicherheit Ehe geben kann und welche Unsicherheit v. a. für Frau und Kind die informelle Partnerschaft, ist nicht weit genug verbreitet. Schule, Bürgergesellschaft, aber auch der Wehrdienst (so in den USA) sollten Orte der Aufklärung sein. Die Scheidungsziffern sind alarmierend.
1)The Economist vom 26. Mai 2007, www.economist.com/email, zitiert eine Reihe von wissenschaftlichen Studien.

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2007)

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