Modellwerkstatt für europäischen Islam

Österreichs Moslems können zukunftstaugliche Lösungen erarbeiten.

Anfang der Woche teilte der deutsche Innenminister die Ergebnisse der Deutschen Islamkonferenz der Öffentlichkeit mit. Wolfgang Schäuble hat 2006 dieses Beratungsforum zur Verbesserung des Lebens der 3,3 Millionen Moslems in Deutschland gegründet. Deutschlands Probleme gleichen den unseren. An erster Stelle stehen die Fragen des Religionsunterrichts an den Schulen. In Deutschland wird es fünf Jahre und noch länger brauchen, so der Minister, bis diese Aufgaben so gelöst sind, dass an allen öffentlichen Schulen nicht nur Islamkunde, sondern ein islamischer Bekenntnisunterricht erteilt werden kann. Fragen der Lehrpläne, der deutschsprechenden Religionslehrer, ihrer Ausbildung in Deutschland, der staatlichen Inspektion, der Lehrbücher, auch die Finanzierung sind offen. Eine besondere Schwierigkeit ist die Zersplitterung der islamischen Welt in Deutschland in zahlreiche Gruppen und Grüppchen, die kein anerkanntes gemeinsames Dach haben. Es fehlt der Ansprech- und Verhandlungspartner.

Österreich, du hast es besser. Seit Jahrzehnten sind die Fragen des Religionsunterrichtes für die jungen österreichischen Muslims gelöst. Lehrpläne, Lehrbücher, Inspektion, Lehrerausbildung in Österreich und die Finanzfragen: All das ist bereits bewährte Praxis und funktioniert. Auch die Ausbildung der Imame an österreichischen theologischen Fakultäten macht Fortschritte.

Die christlichen Kirchen unterstützen diese Maßnahmen – sie wissen genau: Religionsfreiheit und Partnerschaft zwischen Religionsgemeinschaften und Staat sind unteilbar. Was den Moslems verwehrt wird, trifft demnächst auch die anderen. Was ihnen gewährt wird, muss auch den Nicht-Christlichen im Rahmen der Gesetze verbürgt werden. Die Dachorganisation der Moslems in Österreich, die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, kämpfte über viele Jahre gleichermaßen mit der Zersplitterung der moslemischen Gruppen, ihr Vertretungsrecht wurde in Frage gestellt. Kann sie Verhandlungspartner für alle Moslems im Lande sein, Träger der gesetzlich gewährleisteten inneren Autonomie, der staatlich anerkannten und geschützten Selbstverwaltung und der Förderung? Auch hier zeigt sich, dass Österreichs Moslems kreative und zukunftstaugliche Lösungen erarbeiten können. In dieser Woche beschlossen sie eine neue Verfassung der Glaubensgemeinschaft. Ein Dach für fast alle Moslems in Österreich ist damit geschaffen. In der Präambel sind das Bekenntnis zur Bundesverfassung und den Gesetzen Österreichs, der interreligiöse Dialog und die Zusammenarbeit zum Wohle der österreichischen Gesellschaft verankert. Im Text selbst wird den Funktionsträgern die Kenntnis der deutschen Sprache vorgeschrieben. Die ganze Verfassung ist demokratisch geprägt, alle Organe werden gewählt – die Vertreter des Kirchenvolksbegehrens hätten ihre Freude!

Damit ist nun die Voraussetzung für ein neues Islamgesetz geschaffen, in dem das geltende Gesetz vom Jahre 1912 an die neuen Strukturen und Aufgaben angepasst werden kann. Ein wichtiger Schritt in unserem Land, das europaweit als Modell für einen europäischen Islam, integriert und anerkannt in einem säkularisierten, christlich geprägten Land gilt.

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2008)

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