Der Krampf der Unkulturen

Wie in Wien-Penzing von der Gemeinde Wien beinahe die Scharia eingeführt wurde.

Der gemeinhin eher beschauliche niederösterreichische Weinort Bad Vöslau und eine üblicherweise genauso wenig aufregende städtische Bücherei in Wien-Penzing machten in diesen Tagen die gleiche, unerwartete Erfahrung: Beide fanden sich jählings als Frontabschnitt in Samuel Huntingtons „Kampf der Kulturen“ wieder. Zugegebenermaßen nicht gerade wirklich spektakulär, in beiden Fällen, aber irgendwie typisch dafür, was gerade schief läuft mit dem Islam in Europa.

Eine Moschee wollen die in Bad Vöslau lebenden Muslime haben, und zwar eine richtige mit Minarett und Kuppel. Dagegen hat sich nun eine Bürgerinitiative gebildet, die zwar nicht gegen die Moschee ist, aber Minarett und Kuppel abräumen will – und über einen Mangel an Unterschriften nicht klagen kann. Die Sache steuert, wie meist in solchen Fällen, auf einen ziemlichen Krach hin.

In Wien-Penzing dagegen las der begnadete deutsche Polemiker Henryk Broder aus seinem neuen Bestseller „Hurra, wir kapitulieren“. Seine These: Europa wird Eurabia, ein in ein oder zwei Generationen islamisierter Kontinent, und wehrt sich nicht dagegen (außerordentlich lesenswert, übrigens). In Ruhe vortragen konnte Broder freilich nicht wirklich, denn das Wiener Rathaus wollte die Leitung der ihr unterstellten Penzinger Bücherei vor Beginn der Veranstaltung per telefonischem Ukas (und der Androhung eines Disziplinarverfahrens) dazu nötigen, neben den Autor einen Vertreter der Muslime aufs Podium zu setzen. Sei es, um Ärger mit der notorisch beleidigten muslimischen Community zu vermeiden, sei es aus Rücksicht auf 300.000 potenzielle muslimische Wähler.

Man muss kein ausgewiesener Paranoiker sein, um einen derartigen vorauseilenden Gehorsam des Wiener Rathauses gegenüber den vermeintlichen oder tatsächlichen Befindlichkeiten der Muslime als Bestätigung der Thesen Henryk Broders zu verstehen. Wo den Islam erwähnende Bücher nur mehr vorgestellt werden dürfen, wenn ein muslimischer Interessenvertreter anwesend ist, dort ist die Einführung der Scharia keine prinzipielle, sondern nur mehr eine quantitative Frage. Hier lebende Muslime müssen es sich eben gefallen lassen, genauso behandelt zu werden wie alle anderen. (Wenn ein Buch über den Klimawandel präsentiert wird, mahnt die Gemeinde ja komischerweise auch nicht die Anwesenheit eines Vertreters der Industrie ein).

Genau aus diesem Grund – gleiches Recht für alle – ist freilich auch der Kampf der Bad Vöslauer gegen Moschee und Minarett so töricht. Denn so wie jeder das Recht haben muss, öffentlich den Islam zu kritisieren, wenn er dabei im Rahmen der Gesetze bleibt, muss auch jede Glaubensgemeinschaft das Recht haben, ihr Gotteshaus so zu errichten, wie sie es für richtig hält, solange sie die Bauordnung und die Lärmschutzvorschriften einhält.

Wer mit Recht fordert, dass sich die hier lebenden Muslime den hier geltenden Normen – vom Schwimmunterricht für Mädchen bis zum Verbot der Zwangsehe – unterwerfen, der kann den Muslimen nicht verweigern, innerhalb dieser Normen zu leben und Moscheen zu bauen, wie sie wollen.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2007)

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