Unschärfe- relationen: Atome sehen!

In zehn Jahren werden wir uns wahrscheinlich über die Laptops von 2007 königlich amüsieren.

Einzelne Atome sehen? Ja, kann man das überhaupt? Doch, doch, das kann man schon seit einigen Jahren mit Hilfe sog. Rastertunnel-Mikroskope (kurz: STM). Die beruhen darauf, dass eine fast mikroskopisch dünne metallische Spitze sehr nahe an die Oberfläche eines Festkörpers (Probe) herangeführt wird und man den elektrische Strom misst, der für ein Tunneln von Elektronen durch die Vakuumschichte zwischen Spitze und Probe notwendig ist. Die laterale Auflösung solcher Geräte ist so gut, dass Abbilder nicht nur von Oberflächenatomen, sondern sogar von einzelnen sich darauf befindlichen Atomen erzeugt werden können. Vor einigen Jahren noch bestand ein publikumswirksames Spiel darin, mit Hilfe der bewussten Spitze einzelne Atome oder Moleküle so zu manipulieren, dass zum Beispiel das Buchstabenmuster des Namens einer Universität „gemessen“ wurde.

In der Zwischenzeit wurden allerdings gewaltige methodische Fortschritte gemacht, derart, dass nunmehr auch die magnetischen Eigenschaften einzelner Atome erforscht werden können. Die dazu notwendigen Geräte nennt man übrigens „spin-polarisierte STMs“. Damit können zum Beispiel magnetische Nanostrukturen nicht nur der Form nach, sondern auch auf die Ausrichtung ihrer magnetischen Momente hin analysiert werden. Ganz klar, wenn man geordnete Muster von Atomgruppen erzeugen und überdies noch unterschiedliche magnetische Ausrichtungen feststellen kann (verkürzt gesagt: wo der magnetische Nordpol solcher Gebilde zu finden ist), dann hat man den allerersten Schritt zu magnetischen Massenspeicher getan, in denen die einzelnen Informationspunkte lediglich durch ein paar Nanometer (1 nm =10-9 m) voneinander getrennt sind. Zigmilliarden solcher Punkte würden gerade den Platz einer Speicherkarte einnehmen, wie sie etwa in Digitalkameras zur Zeit verwendet werden.


Noch interessanter ist es, sehr kleine Bereiche, wie z. B. in Nanodrähten (Durchmesser etliche 10 nm, Länge ein paar hundert nm), herzustellen und mit unterschiedlichen magnetischen Ausrichtungen direkt aneinander grenzen zu lassen. Der Grenzbereich zwischen zwei Gebieten (Domänen) hat dann ganz besondere magnetische Eigenschaften. Durch Anlegen eines elektrischen Stroms, z. B. in Form ganz kurzer Pulse (Dauer: Picosekunden = 10-12Sekunden), kann diese Grenze (Domänenwand) mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Metern pro Sekunde (eine gigantische Geschwindigkeit im Mikrokosmos) verschoben werden. Auf diesem Verschieben beruht das Prinzip des sog. „Racetrack memory“, und damit das Schema eines Massenspeichers ohne jegliche mechanische Teile. Außer den bereits erwähnten spin-polarisierten STMs kommen noch ein bis zwei „ähnliche“ Methoden in Frage, um derartig diffizile Prozesse zu beobachten. Die Anzahl solcher Geräte ist allerdings weltweit äußerst gering. Manche Geräte sind sogar Unikate! In Österreich befindet sich leider keines.

Was mit dem „Sehen von Atomen“ begonnen hat, führt heute zu völlig neuen physikalischen Prinzipien für Informationsspeichermedien. In vielleicht schon 10 Jahren werden wir uns wahrscheinlich über die Laptops aus dem Jahre 2007 königlich amüsieren.

Peter Weinberger ist Professor für Allgemeine Physik an der TU Wien.


kultur@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2007)

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