"Tuvalu versinkt nicht, definitiv nicht"

Nicht nur hinter den Konferenztüren, auch im Krieg der Bilder wird um Stimmung gerungen: Etwa um Inseln, die im TV versinken, dem Augenschein und Messgeräten aber nichts davon zeigen.

Eine der Ikonen des Klimawandels ist Tuvalu, das ist eine der kleinen Inseln im Pazifik, von der jeder weiß, dass sie vom steigenden Meer überflutet werden, hier und heute, man kann es mitanschauen, neulich etwa in der ZiB2. Aus der Nähe sieht es anders aus: "Konkret gibt es nach unserem Wissensstand überhaupt keine Anzeichen, dass in absehbarer Zeit etwas passiert", berichtet Christian Suhr aus dem Büro des Honorarkonsuls von Tuvalu in Hamburg der "Presse": "Unser Konsul war vor drei Monaten auf der Insel, da gab es überhaupt keine Anzeichen. Ab und zu, wenn ein großer Sturm ist, ein Taifun, dann gibt es ein bisschen Überspülungen in einigen Bereichen, das ist auch schon alles. Zum jetzigen Zeitpunkt versinkt Tuvalu nicht, definitiv nicht."

Vor sechs Jahren gab es eine bis in den Wortlaut hinein identische Auskunft - nur der Honorarkonsul war ein anderer und saß in Kiel -, auch damals versank Tuvalu in den Medien. Und vor sechs Jahren kam die bisher letzte Prognose des UNO-Klimabeirats IPCC. Heute kommt wieder eine, die alten Bilder sind noch da und werden gerne aus den Archiven geholt.

Aber es geht nicht nur um Stimmungsmache, der Streit um Tuvalu zeigt eine der großen Unsicherheiten der Klimaforschung: Um wie viel steigen bei welcher Erwärmung die Meere? Theoretisch ist ganz klar, dass sie steigen müssen, vor allem, weil das Wasser sich erwärmt und dabei ausdehnt, sekundär auch, weil Gletscher schmelzen. Aber die Praxis ist tückischer: Ausgerechnet in Gewässern der Arktis, in der die Erwärmung rascher voranschreitet als anderswo, sind die Meeresspiegel gesunken, von 1995 bis 2003 um 2,17 Millimeter pro Jahr. "Wir haben großes Vertrauen in diese Daten", erklärte der holländische Meereshöhen-Messungsspezialist Remko Scharroo gegenüber BBC: "Nun sind die Geophysiker an der Reihe, es zu erklären."

Das haben sie bis heute nicht. Aber vielleicht hat Scharroo falsch gemessen? Das ist unwahrscheinlich, er hat die Daten eines europäischen Satelliten ausgewertet. Satellitendaten sind für gewöhnlich zuverlässiger als die alten Messungen, wie die auf Tuvalu: Dort misst man am Land, wie hoch die Flut kommt - Veränderungen liegen dann entweder am gestiegenen Meer oder am gesunkenen Land -, und sie ist nicht hoch gekommen: Ein Messgerät der University of Hawaii hat über die zwei Dekaden bis 2000 eine vernachlässigbare Erhöhung um 0,07 Millimeter pro Jahr erhoben.

Das wären sieben Millimeter in hundert Jahren und einer Region, in der der Meeresspiegel durch das Klimaphänomen El Niño rasch um 30, 40 Zentimeter steigen kann (und Tuvalu nie überschwemmt hat). Seit 1999 gibt es ein anderes Messgerät, das von der Flinders University of South Australia betrieben wird: "Wir sehen nichts von einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels", erklärte Forschungsleiter Bill Mitchel 2001. Heute klagt er, dass "jeder von uns Zahlen will. Wir werden noch lange darauf warten müssen" (Nature, 440, S. 734).

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