Umstrittener Großauftrag an SPÖ-Firma

Haus Atzgersdorf
Haus Atzgersdorf(c) Clemens Fabry
  • Drucken

29,1 Mio. Euro kostete die Sanierung eines städtischen Seniorenheims durch eine Firma im mittelbaren Eigentum der Wiener SP. Ausschreibung gab es keine. Beinahe wäre die Affäre unentdeckt geblieben.

Die Sache sieht übel aus. Ein gemeinnütziger Fonds der Stadt Wien vergibt einen Großauftrag ohne Ausschreibung an eine namentlich nicht genannte Firma. So steht es in einem aktuellen Bericht des Stadtrechnungshofes. Weiterführende Recherchen der „Presse“ ergaben nun: Die besagte Firma gehört der Wiener SPÖ. Und beinahe wäre die ganze Affäre unentdeckt geblieben.

36 Berichte auf 1010 Seiten hat Wiens Stadtrechnungshof vor drei Wochen auf einen Schlag veröffentlicht. Dabei größere und kleinere Mängel aufgezeigt, manchmal auch Lob ausgesprochen. Medien und Opposition sorgten für Öffentlichkeit. Das ist immer so, wenn die Prüfer die Ergebnisse ihrer Arbeit vorlegen. In diesem Umfeld wurde auch der (anonymisierte) Inhalt von Dokument Nr. 22 bekannt.

Das 39 Seiten starke Papier entlarvt einen Vergabeskandal wie aus dem Lehrbuch. Aufträge zur 29Mio. Euro teuren Generalsanierung des Seniorenhauses Wien-Atzgersdorf sind demnach entweder auf direktem Weg oder unter fragwürdigen Bedingungen vergeben worden. So steht es im Text. Bis auf den geprüften Auftraggeber, das Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser (KWP), nennt der Stadtrechnungshof keine Namen. Das ist nicht ungewöhnlich, da die Prüfer nur Firmen und Körperschaften mit Öffentlichkeitscharakter untersuchen. So wie das KWP. Die Namen Dritter sind tabu.

Spur in die Landespartei

Besagte Firma heißt Projektbau GmbH. Folgt man der Spur, führt sie in die Parteizentrale der Wiener SPÖ. Präziser: in das Hauptquartier eines ihr vorgelagerten Vereins. Nutznießer der Direktvergabe, die den „grundlegenden Bestimmungen des Vergaberechts widersprach“ (Zitat aus dem Bericht), waren neben der Projektbau auch deren Gesellschafter. Das sind der Alleineigentümer A.B.H. Beteiligungs-GmbH und jene Stelle, an der alle Firmenaktivitäten der Wiener SPÖ in einer Art Holding gebündelt sind. So auch jene der A.B.H.: der Verband Wiener Arbeiterheime (VBA). Im Vorstand sind mehrere Sozialdemokraten tätig. Die Geschäfte führt seit vielen Jahren Helmut Laska, Mann der ehemaligen Vizebürgermeisterin Grete Laska.

Grete Laska war es auch, die zur Zeit der Beauftragung der Projektbau Präsidentin des Kuratoriums Wiener Pensionistenhäuser war. Im Dezember 2002 unterschrieb sie den für die Sanierung des Hauses Atzgersdorf nötigen Vorstandsbeschluss, der die erforderliche Summe von 25 Mio. Euro freigab. Im Zuge der Bauarbeiten sollten schließlich 4,1 Mio. Euro zusätzliche Kosten hinzukommen. Wie war das möglich?

Heute, heißt es auf Nachfrage im KWP, das als ausgelagerte Organisation des Rathauses eine ganze Reihe von Seniorenhäusern betreibt, sei das Unternehmen nicht mehr das, was es seinerzeit war. Die Arbeiten in Atzgersdorf fanden von 2002 bis 2008 statt. Seit 2009 gibt es eine neue Geschäftsführerin (die alte ist verstorben), und auf Grete Laska folgte als Präsidentin die aktuelle Gesundheitsstadträtin, Sonja Wehsely. „Im Zuge der Prüfung durch den Stadtrechnungshof haben wir selbst die Justiz eingeschaltet“, sagt eine Sprecherin.

Und tatsächlich: In der Wirtschaftsgruppe der Staatsanwaltschaft warten inzwischen 19 Kartons mit Unterlagen aus dem KWP auf ihre Auswertung. Die Behörde führt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf gleich mehrere Straftaten. Die Vorwürfe lauten auf schweren gewerbsmäßigen Betrug, Untreue, Verletzung des Amtsgeheimnisses sowie Geheimnisverrat. Angeblich nannte die heutige KWP-Führung den Anklägern sogar Namen. Sieben Personen, allesamt aus den Sphären von KWP und der Projektbau, stehen unter Verdacht.

Laska und Laska sind nicht darunter. Laut Auskunft der heutigen Kuratoriumsspitze wusste Grete Laska seinerzeit nicht, was sie da unterschrieb. „Der Vorstand hat nur den finanziellen Rahmen abgesteckt, die Durchführung verantwortete ausschließlich die Geschäftsführung.“ Und die soll beispielsweise Projektleitung und Bauaufsicht direkt und rechtswidrig an die Projektbau vergeben haben (Wert des Teilauftrags: 2,7 Mio. Euro). Die Projektbau wiederum beging laut Prüfbericht eine Reihe von Planungsfehlern, die letztendlich zu den Mehrkosten von 4,1Mio. Euro führten (siehe oben). Zudem äußerte der Stadtrechnungshof zwischen den Zeilen den Verdacht, dass die Projektbau selbst weitere Gewerke unter dubiosen Umständen an nachfolgende Unternehmen vergeben hat. Welche, das ist noch nicht bekannt.

„Die Presse“ ersuchte Laska und Laska über die Geschäftsadresse des Verbands der Arbeiterheime um eine Stellungnahme und die Beantwortung eines Fragenkatalogs. Unter dem Hinweis auf die Tätigkeit der Justiz schrieb Helmut Laska zurück: „Sie werden verstehen, dass damit eine Stellungnahme meinerseits ausgeschlossen ist.“ Und weiter: „Zu Ihrer grundsätzlichen Information stelle ich aber fest, dass ich zu keiner Zeit in die operative Tätigkeit der Firma Projektbau involviert war und bin.“

Die Antwort auf die Anfrage bei der Projektbau GmbH, die ihre Büros übrigens an der gleichen Adresse (Lindengasse 55, 1070 Wien) wie der Verband der Arbeiterheime hat, war inhaltlich ident. Aufgrund der Erhebungen der Justiz könne man leider keine Auskünfte geben.

Der Geldtank der SPÖ

Aber wie nahe steht der mittelbare Projektbau-Eigentümer, der Verband der Wiener Arbeiterheime, nun tatsächlich jener Partei, deren Mitglieder der Stadtregierung jenes Geld freigaben, das im Firmennetzwerk des Vereins landete? Zwei Jahre nach der freihändigen Vergabe des Projekts Atzgersdorf an die Projektbau gab Helmut Laska dem Magazin „Trend“ eines seiner seltenen Interviews. Auf die Frage, welchen Zweck der Verein eigentlich habe, antwortete er: „Der Verband hat die Aufgabe, die Partei zu unterstützen.“ Und weiter: „Eigentümer ist letztendlich die Partei.“

KURZ & KNAPP

Von 2002 bis 2008 sanierte das Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser den Standort Atzgersdorf. Kosten: 29,1 Mio. Euro. Das Projektmanagement dafür wurde – laut Stadtrechnungshof rechtswidrig – direkt vergeben. Recherchen ergaben: Die Firma namens Projektbau gehört der Wiener SPÖ. Sie soll weitere Subaufträge ebenfalls auf direktem Weg vergeben haben. Die Staatsanwaltschaft ist inzwischen eingeschaltet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.