Burgenland: Kinder als Spielbälle der Behörden

Zwischen dem Jugendamt und einem Vater läuft seit mittlerweile fünf Jahren ein Tauziehen um zwei Kinder.

Jennersdorf. Wie weit darf und soll sich der Staat in das Privatleben von Familien einmischen? Ist eine Familie mit vermeintlichen Defiziten für Kinder noch lebenswert, oder ist eine durchs Jugendamt eingeleitete Abnahme mit anschließendem Leben im Heim doch die bessere Variante?

Im burgenländischen Jennersdorf leben zwei Kinder, um die seit inzwischen fünf Jahren Gericht und Behörde streiten. Der Fall zeigt exemplarisch, dass eingangs gestellte Fragen nicht immer mit absoluter Sicherheit zu beantworten sind. Zwischen den unterschiedlichen Interpretationen von Gutachten und Paragrafen bleiben jene auf der Strecke, um deren Wohl es eigentlich geht: die Kinder.

Sozial verwahrloste Kinder

Im Prinzip ist der Fall rasch erklärt. Im Februar 2002 stellte das Jugendamt Jennersdorf beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Übertragung der Obsorge und Fremdunterbringung. Die Kinder seien sozial verwahrlost, Vater, Stiefmutter und Großmutter nicht in der Lage, sich angemessen um das Wohl des eigenen Nachwuchses zu kümmern. Untermauert wurde diese Ansicht von einem Gutachten des Psychologen Günther Ifkovits.

Doch seitdem wird der Fall zusehends komplexer. Das Gericht gab seinerseits nämlich ein Gegengutachten beim Psychiater und Sachverständigen Friedrich Rous in Auftrag, das nicht von einer Gefährdung der Kinder im Elternhaus ausgeht. Die Folge: Bis heute gibt es keinen rechtskräftigen Beschluss in dem durch einen Formfehler verschleppten Verfahren.

Bis vor zwei Wochen die Lage eskalierte. Das Jugendamt ortete Gefahr im Verzug, nahm dem Vater die Kinder am Freitag ab und brachte sie in ein Heim. Allerdings: Noch bevor ein neuerlicher Antrag auf Fremdunterbringung gestellt werden konnte, ging in dem Heim ein Fax vom Bezirksgericht Jennersdorf ein, dass der Vater die Kinder wieder abholen dürfe, was dieser auch am Montag tat.

Zwischen die Fronten geraten

Im Gespräch mit der „Presse“ sieht sich der Vater in erster Linie als Opfer eines willfährigen Jugendamts. Seit Jahren versuche dieses, ihn bewusst in Fehler zu treiben, um ihm seinen achtjährigen Sohn und seine elfjährige Tochter abnehmen zu können. „Ich bin froh, dass die Sache an die Öffentlichkeit kommt. Die Leute sollen wissen, was passiert, wenn Eltern und ihre Kinder zwischen die Fronten geraten“, sagt Willibald Deutsch.

Er gesteht ein, vielleicht „nicht perfekt“ zu sein. Mehrmals hat er in den vergangenen Jahren seinen Arbeitgeber gewechselt. Momentan absolviert er bei einem weiteren seine Probezeit. „Ich bin aber bereit, künftig mehr Zeit für meine Kinder aufzubringen.“ Seine kleine Landwirtschaft habe er zu diesem Zweck bereits verkleinert. „Damit nicht mehr so viel Arbeit anfällt und mehr Zeit bleibt.“

Hubert Janics, Bezirkshauptmann und Leiter des Jennersdorfer Jugendamts, erklärt, dass er Rekurs gegen die Entscheidung des Gerichts einlegen wird und auf der Maßnahme der Fremdunterbringung der Kinder beharrt. „Wir stehen zu unserer Einschätzung.“

Der Akt geht nun zum Landesgericht Eisenstadt, wo das fünf Jahre andauernde Tauziehen um die Kinder „bevorzugt“ behandelt werden soll. Der Bezirksrichter, der zur Aufrechterhaltung des guten Verhältnisses zu Janics seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, meint, dass Jugendämter Kinder oft viel zu leicht aus den Familien heraus nehmen. Er untermauert dies durch das Gutachten des Sachverständigen. „Außerdem ist es der ausdrückliche Wunsch der Kinder, bei ihrem Vater zu bleiben.“

„Keine willkürliche Entscheidung“

Die Leiterin des Heimes, in dem die Kinder das Wochenende verbrachten, glaubt nicht, dass das Jugendamt in Fällen von Fremdunterbringungen willkürlich Entscheidungen trifft. „So etwas ist ein derart einschneidendes Erlebnis, dass kein Sozialarbeiter grundlos ein Kind aus einer Familie entfernt“, erklärt sie der „Presse“. Geschultes Personal könne binnen kurzer Zeit feststellen, welche Defizite bei fremd untergebrachten Kindern vorliegen. Dies treffe auch in diesem Fall zu. Bis das eindeutig festgestellt ist, heißt es für die beteiligten Parteien, vor allem aber für die Kinder: „Bitte warten“.

Inline Flex[Faktbox] DIE BEHÖRDE("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2007)

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