„Braune Flecken“ sollen aus Wiens Straßen verschwinden

Historisch belastete Straßennamen werden ersetzt. Vor allem die, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach überzeugten Nazis benannt wurden.

Wien. Ein „Adolf-Hitler-Platz“ in Wien? Schwer vorstellbar, aber das gab es schon einmal. Von 1938 bis 1945 trugen gleich mehrere Plätze diesen Namen, etwa auch der Rathausplatz. Und wo heute der Viktor-Adler-Platz zu finden ist, war einst der Horst-Wessel-Platz. Die Namen der Nazi-Granden wurden nach dem Krieg aber schnell von den Straßentafeln entfernt.

Und doch gibt es noch heute braune Flecken in Wiens Straßenkarte. Das Brisante daran: Sie wurden zum Teil erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. So wurde etwa die Heinrich-Maxa-Gasse in der Leopoldstadt 1993 nach dem ehemaligen Bezirksvorsteher-Stellvertreter (1969 bis 1973) und ÖVP-Politiker benannt. Wie das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) nun herausfand, war dieser ein überzeugter Nazi. Schon 1929 sei er in die NSDAP eingetreten und habe sich mehrfach bei Hitlerjugend und SA engagiert.

Dass Maxas NS-Vergangenheit ans Licht kam, geht auf eine Initiative des Leopoldstädter Bezirksvorstehers Gerhard Kubik zurück, der das DÖW beauftragte, nach braunen Flecken in den Straßennamen des zweiten Bezirks zu suchen. Neben Maxa stießen die Forscher auch auf Oswald Thomas, der unter anderem das Wiener Planetarium gegründet hatte. Ihn bezeichnet DÖW-Mitarbeiter Stephan Roth als „klassischen Opportunisten“, der offen antisemitisch agierte. Dem 1963 Verstorbenen wurde 1974 der Platz vor dem Planetarium im Prater gewidmet.

Auch an der Arnezhoferstraße stößt sich das DÖW. Zwar fällt der Namensgeber nicht in die NS-Zeit, allerdings hatte der Pfarrer Johann Ignaz Arnezhofer 1670 massiv an der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus der Leopoldstadt mitgewirkt. Unter Bürgermeister Karl Lueger wurde die Straße 1906 benannt, laut Roth „ein Beispiel für die Kontinuität des christlichen Antisemitismus“, der Grundlage für den rassischen Antisemitismus des Nationalsozialismus war.

Eine Konsequenz aus der Arbeit des DÖW: Die Heinrich-Maxa-Gasse wird umbenannt. In der Bezirksvertretung werden derzeit Vorschläge gesammelt, welchen Namen die Straße in Zukunft tragen soll. Der Antrag auf Umbenennung soll im Juni im Bezirk beschlossen werden, danach muss der Kulturausschuss im Rathaus zustimmen. Bei den anderen Straßen sollen Zusatztafeln angebracht werden.

Neu: Simon-Wiesenthal-Gasse

Eine Straßen-Umbenennung in der Leopoldstadt wurde am Mittwoch offiziell gefeiert. Die Ichmanngasse, benannt nach dem Wienerlied-Texter und NSDAP-Mitglied Franz Ichmann, wurde auf Initiative der Israelitischen Kultusgemeinde in „Simon-Wiesenthal-Gasse“ umbenannt. Immerhin wird dort ein Zentrum der Gemeinde errichtet.

Die Umbenennung hat allerdings Grenzen. Zum einen müsste bei strenger Auslegung auch die Leopoldstadt umbenannt werden – schließlich ließ Leopold I. im 17. Jahrhundert alle Juden aus dem Bezirk vertreiben. Zum anderen ist ein solcher Vorgang für die Bewohner mit Bürokratie und Kosten verbunden. Schließlich müssten Dokumente neu ausgestellt und Druckunterlagen ausgetauscht werden. Bei Maxa- und Ichmanngasse ist das kein Problem, weil die Gegend unbewohnt ist.

Das DÖW will nun auch Straßen der anderen 22 Bezirke auf braune Flecken untersuchen. Ob daraus auch Konsequenzen wie Gedenktafeln oder gar Umbenennungen hervorgehen, ist noch offen.

PROZEDERE

Umbenennungen von Straßen kommen in Wien kaum vor – zu großer Verwaltungsaufwand. Nur weitgehend unbewohnte Adressen wurden in jüngster Zeit umbenannt, zuletzt die Ichmanngasse in Simon-Wiesenthal-Gasse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2007)

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