Asylpolitik: „Schubhaft widerwärtig, menschenverachtend“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Initiative „Flucht ist kein Verbrechen“ startet mit harter Kritik an Österreichs Schubhaft-Praxis.

Wien. „Es gibt ein klares Signal: Flucht ist ein Verbrechen.“ So beschreibt Michael Chalupka, Direktor der evangelischen Diakonie Österreich, die Praxis im Vollzug des Asylrechts in Österreich. Gemeinsam mit Caritas, der Menschenrechtsorganisation amnesty international, Volkshilfe, Rotem Kreuz, Integrationshaus und dem Forum Asyl startet die Diakonie die Initiative „Flucht ist kein Verbrechen“.

Exemplarischer Anlassfall: Ein Kosovo-Albaner sucht in Oberösterreich um Asyl an – und wird nach der ersten Einvernahme vor seiner Frau und den drei Kindern festgenommen. Der Mann sitzt nach wie vor in Schubhaft, Frau und Kinder sind von den Asylbehörden in Salzburg untergebracht und dürfen ihn nicht besuchen. Haftgrund: Es werde abgeklärt, ob Slowenien oder Ungarn fürs Asylverfahren zuständig seien.

„Menschenverachtend“

Heinz Patzelt, Generalsekretär der österreichischen Sektion von amnesty international (ai): „Im vergangenen Jahr gab es 180.000 Tage Bruch österreichischen Verfassung und der Menschenrechte. Widerwärtige, menschenverachtende Politik.“ Auf diese Zahl kommt ai bei einer „durchschnittlichen Haft von zwei Monaten und 3000 bis 4000 Fällen.“

Die Bedingungen der Schubhaft seien einschneidender als in der Strafhaft: Insassen haben keine Beschäftigungsmöglichkeit, müssten meist 23 Stunden in der Zelle bleiben und würden von (dafür nicht ausgebildeten) Polizisten bewacht.Franz Küberl, Direktor der Caritas Österreich, nennt die Schubhaft-Praxis „eine sehr, sehr dunkle Seite des Rechtsstaates“ und fordert von den 85 Schubhaftbehörden „mehr soziale Intelligenz“. Küberl berichtet von einer Schwangeren, die in Schubhaft gesteckt worden sei. Die derzeitige Praxis sei „ein Schlag ins Gesicht des Rechtsstaates“.

„Abtauchen verhindern“

Mit „Flucht ist kein Verbrechen“ wollen die Organisationen erreichen, dass Schubhaft nur noch in den dafür vorgesehenen Fällen verhängt werde: „Dann, wenn jemandes Abschiebung bevorsteht und die Gefahr besteht, dass sich diese Person der Abschiebung entziehen will“, so Patzelt. Schubhaft in jetziger Form sei ein „fortgesetzter Menschenrechtsskandal“.

Die Sprecherin von Innenminister Günther Platter meint zur Initiative, dass das Thema im Ministerium anders gesehen werde. Schubhaft sei vor allem ein Mittel, um jemandes „Abtauchen in die Illegalität zu verhindern“. Die Zahl der Menschen, die mit Montag in Schubhaftzellen saßen, gab die Sprecherin mit 527 an.

Marianne Hagenhofer, Minderheitensprecherin des SP-Parlamentsklubs, plädiert für eine Bewertung des Fremdenrechts und entsprechende Änderungen. Diese seien jedoch vor allem „Sache des Koalitionspartners“. Die SP werde ihre Position in der Asylpolitik nächste Woche festlegen.

www.fluchtistkeinverbrechen.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2007)

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