Wie schwulenfreundlich ist Wien wirklich?

Die Presse (Clemens Fabry)
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Nicht immer geht Wien mit Homosexuellen so freundlich um, wie das von Life Ball & Co geprägte Bild vermuten lässt.

Wien gilt als liberale Stadt, in der Homosexuelle weitgehend problemlos leben, arbeiten und feiern können. Sogar der Begriff „Schwulenmetropole“ wurde schon vorsichtig ins Spiel gebracht – Wien Tourismus macht offensive Werbung und Angebote in der Schwulenszene, Europas größtes Homosexuellenmagazin wählte Wien 2004 sogar zur „preferred gay lesbian City“.

Doch hinter der bunten Fassade, die von Events wie Life Ball, Rosenball oder Regenbogenparade (die diesen Samstag stattfindet) geprägt wird, gibt es noch immer Bereiche, in denen Homosexuelle Opfer von Gewalt oder Diskriminierung werden. Ein Fall sorgte vergangenen Herbst für besonders großes Aufsehen: Ein Mitarbeiter der Rosa Lila Villa (Wiens erstes Lesben & Schwulenhaus) wurde bei einem Messerangriff schwer verletzt. Der Täter, der gezielt Homosexuelle töten wollte, wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Homophobie ohne Gewalt

Bei der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen spricht man allerdings von einem Ausnahmefall. Homophobie arte nur selten in Gewalt aus, sondern werde unterschwellig transportiert. „Die meiste Diskriminierung gibt es im Arbeitsleben“, sagt Berater Wolfgang Wilhelm. Rund 120 Fälle pro Jahr werden an die Einrichtung herangetragen, zum Großteil dreht es sich um Mobbing am Arbeitsplatz.

Häufig fühlen sich Homosexuelle auch diskriminiert, weil ihnen der Aufstieg in leitende Positionen – mit fadenscheinigen Argumenten – verwehrt wird. Auch selbstständig arbeitende Schwule sind damit konfrontiert: „Ein schwuler Trainer hat von einer Firma weniger Aufträge bekommen mit dem Argument, er müsse ja keine Familie ernähren“, so Wilhelm.

Das zweite große Problemfeld sieht der Experte im Bereich Wohnen. So gebe es immer noch Vermieter, die Wohnungen nicht an gleichgeschlechtliche Paare vergeben. Und während Mitbewohner Fenster und Balkone dekorieren dürfen, würden manche Hauseigentümer das Aufhängen der Regenbogenflagge verbieten. Natürlich seien das Einzelfälle, doch „hinter mehreren Einzelfällen steckt sicher ein System“, meint Wilhelm, „die sexuelle Orientierung spielt oft noch eine nebulose, große Rolle, die ihr nicht zusteht“.

Angst vor radikalen Moslems

Ein Problem, mit dem in Deutschland bereits gekämpft wird, hat Wien bisher noch nicht erreicht: „Es gibt noch kein Migrantenproblem“, sagt Christian Högl, Obmann der Homosexuelleninitiative Hosi Wien. Er befürchtet aber, dass auch hier gläubige Moslems feindselige Aktionen gegen Schwule setzen könnten. In einigen europäischen Ländern werde homosexuellen Lehrern geraten, sich nicht zu outen, um Konflikte mit Eltern muslimischer Schüler zu vermeiden. Högl: „Diese Junktimierung mit Religion macht mir Sorge.“

Natürlich hänge die Akzeptanz von Schwulen und Lesben auch vom Milieu ab. So sei es in kreativen Berufen kein Problem, während Handwerker oder Maurer auf ein Coming Out verzichten, um nicht Opfer des Gespötts von Kollegen zu werden. Trotz aller Bedenken könne man sich als Homosexueller in Wien aber frei und ohne Angst bewegen. Und im Vergleich mit anderen Städten, so Högl, sei Wien für Schwule auf jeden Fall lebenswert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2007)

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