Integration: Verfassungsfeindliche Post aus Wien

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Der bayerische Verfassungsschutz stuft ein Konzept eines Wiener Islam-Experten als integrationsfeindlich ein.

WIEN. Muslime leben „in einer nicht muslimischen Gesellschaft als Minderheit und sind einigermaßen ,gezwungen‘, mit der Mehrheitsgesellschaft zusammenzuleben“. Ein Dokument mit Formulierungen wie diesen rückte in den vergangenen Tagen eine Gruppe von Muslimen in Bayern in Bedrängnis.

Das brisante Papier, das der „Presse“ vorliegt (siehe nebenstehendes Faksimile), wurde der islamischen Gemeinde in Penzberg zugeordnet, die derzeit die Errichtung eines islamischen Zentrums in München plant. Das bayerische Innenministerium unterstellte dem Verein daraufhin „zweifelhafte Integrationsabsichten“. Allein, das vom Verfassungsschutz überprüfte Papier, in dem diese Formulierungen enthalten sind, stammt gar nicht aus Bayern – sondern aus Wien.

Als Urheber gilt ein führender Mitarbeiter an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien, der zuständig für die Ausbildung islamischer Religionslehrer ist. Wie kam das Papier nach Deutschland? Der Penzberger Imam Benjamin Idriz hatte mehrere Experten angeschrieben, wie die Ausbildung von Religionspädagogen und Imamen in ihren Ländern funktioniert, um die Erkenntnisse für das geplante Ausbildungszentrum in München anzuwenden.

„Der reine Islam“

Der Wiener Islam-Experte hatte daraufhin ein vierseitiges Papier per E-Mail nach Penzberg geschickt, das über Umwege schließlich beim Verfassungsschutz landete. Dort stieß man sich gleich an mehreren Formulierungen. So ist in dem Dokument unter anderem davon die Rede, dass den Kindern im Religionsunterricht der „reine Islam“ weitergegeben werden solle. Zudem sollten Muslime „ihren religiösen Pflichten nach den islamischen Normen nachgehen“, heißt es darin.

„Das sind Formulierungen, wie sie von extremen Gruppierungen immer wieder verwendet werden“, sagt Michael Ziegler, Sprecher des bayerischen Innenministeriums zur „Presse“. Da das Dokument allerdings keinen Hinweis auf den Verfasser enthielt sondern nur den Schriftzug „Zentrum für Islam in Europa München“, wurde es dem Penzberger Forum zugerechnet. In der islamischen Gemeinde erklärt man dieses Missverständnis damit, dass alle Schriftstücke, auch die von außen geholten Expertisen, mit dem Logo des Zentrums versehen und abgeheftet worden waren. Im letztlich vorgelegten neunseitigen Konzept für ein neues Islam-Zentrum taucht allerdings keiner der Punkte aus dem Wiener Dokument auf.

Ausgestanden ist die Sache für die Penzberger allerdings noch nicht: einigen ihrer Vertreter wird Nähe zur türkisch-islamischen Vereinigung Milli Görüs vorgeworfen. Mit keinen Konsequenzen hat dagegen der Verfasser des Dokuments zu rechnen. Aus dem Innenministerium in Wien heißt es, dass man die Vorgänge beobachtet habe, allerdings liege gegen den Autor aus Sicht der heimischen Verfassungsschützer derzeit nichts vor. Der Islam-Experte selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Kommentar: Seite 47

ISLAM-AKADEMIE

Bayern: Die islamische Gemeinde Penzberg plant eine Islam-Akademie. Das bayerische Innenministerium bezeichnet ein vermeintliches Konzept dafür als integrationsfeindlich – doch das Dokument stammt aus Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2007)

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