U-Bahn soll bis Wienerberg fahren

Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Interview. Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker über die Zukunft des Wiener U-Bahn-Netzes, den Todesstoß für die U4-Verlängerung und das „Autofahrer-feindliche“ Wien.

Die Presse: Die Verhandlungen mit dem Bund über den U-Bahn-Ausbau sind abgeschlossen, U4 und U6 werden nicht verlängert. Hat Wien schlecht verhandelt?

Rudi Schicker: Die U4-Verlängerung nach Auhof war seitens der Stadt nie ernsthaft angedacht. Sie ist vom Verkehrsministerium bei den Verhandlungen so massiv eingebracht worden, dass wir gesagt haben: Wir prüfen das nochmals. Die U6 Süd (über die SCS) war durch die fehlende Prüfung der Gebietskörperschaften außerhalb Wiens sowieso in Frage gestellt. Die U6-Nord (über Stammersdorf nach NÖ) war ebenfalls mit einem großen Fragezeichen im Katalog.

Was haben die Verhandlungen der Stadt Wien dann gebracht?

Schicker: Wir haben ein umfassendes Paket mit U1-Süd (Rothneusiedl), U2-Nord (Flugfeld Aspern) und U2-Süd (Arsenal/Areal südlich des künftigen Hauptbahnhofes). Es sind genau jene Strecken im Paket, die wir brauchen.

Die U4-Verlängerung nach Auhof ist damit endgültig gestorben – wie die Verlängerung der U6?

Schicker: Es ist mit Sicherheit nicht im vierten U-Bahn-Paket enthalten. Was sich für die nächste Ausbaustufe im Jahr 2018 verpacken lässt, wird man dann sehen.


Ihre Vision: Wohin muss die U-Bahn in Zukunft fahren?

Schicker: 2013/2014 weiß man, wo in Floridsdorf das neue Spital seinen Standort hat. Und ob es eine Variante ist, die U6 zu verlängern und die Endstelle dort zu machen. Dann weiß man auch, ob vom Areal südlich des Hauptbahnhofes (U2/Arsenal) eine Verlängerung Richtung Reumannplatz (U1) und weiter bis zum Wienerberg möglich ist. Das werden die Untersuchungen ergeben.

Wie realistisch ist die Umsetzung dieser Vision?

Schicker: Der U-Bahn-Bau ist mit der jetzigen vierten Ausbauphase sicher nicht abgeschlossen. Es wird sicherlich noch eine fünfte Phase brauchen. Möglicherweise werden meine Nachfolger draufkommen, dass noch eine sechste Phase benötigt wird.

Apropos U-Bahn: Die verlängerte U2 verfehlt den Hauptbahnhof um wenige hundert Meter. Ein Schildbürgerstreich?

Schicker: Der Hauptbahnhof rückt zum Südtiroler Platz. Damit ist die Distanz zwischen ÖBB-Bahnsteig und Bahnsteig der U1 genauso lang wie am Westbahnhof. Er wird künftig eine entscheidende Rolle für die Pendler und als Nahverkehrsdrehscheibe haben. Damit ist der Anschluss des Westbahnhofs an zwei U-Bahnen gerechtfertigt.

Warum hat das Prestigeprojekt, der künftige Hauptbahnhof, mit der U1 aber nur einen U-Bahn-Anschluss?

Schicker: Am Hauptbahnhof werden Passagiere auf die Schnellbahn-Stammstrecke oder die U-Bahn umsteigen. Die Verteilung wird über diese beiden Verkehrsträger erfolgen. Außerdem ist die U1 im Südabschnitt nicht so stark ausgelastet. Das funktioniert.

In diesem Sommer ist das Baustellen-Management in das Schussfeld der Kritik geraten. Was ist hier schief gelaufen?

Schicker: Ein unverdächtiger Zeuge, der ÖAMTC, hat erklärt: Er wüsste nicht, wie man es besser organisieren kann. Damit bin ich schon sehr zufrieden. Was die Aktivitäten betrifft: Mit 110 Mio. Euro sind wir an der Obergrenze dessen, was leistbar ist – nicht nur finanziell, sondern auch von der Kapazität der Baufirmen her. Wenn man auf der Radetzkybrücke oder am Franz-Josef-Kai etwas baut, gibt es immer dieses Thema. Und am Matzleinsdorfer Platz die Eindeckung herzustellen ist immer eine Katastrophe – aber es muss einmal sein. Dann kommt noch die Ring-Sanierung, die wir für die Fußball-EM brauchen.

Werden noch vor der EM alle Baustellen abgeschlossen?

Schicker: Wir hatten die Situation bereits im Vorjahr mit der EU-Präsidentschaft. Heuer haben wir dieselbe Situation mit dem Papstbesuch, wo wir versuchen, einzelne Baustellen zurückzuhalten. Während der Fußball-EM werden wir im Nahbereich der Veranstaltungen keine Baustellen haben. Das bedeutet: Im nächsten Frühjahr werden nur solche Dinge begonnen, die mit Ende Mai auf jeden Fall abgeschlossen sind.

Ab 1. September werden die Kurzparkzonen bis 22 Uhr verlängert, die Parktarife steigen: Wird Wien Autofahrer-feindlich?

Schicker: Wir haben nicht vor, Autofahrer unnotwendig einzuschränken. Der Punkt ist: Das Auto muss sinnvoll genutzt werden. Man muss für jeden Weg das geeignete Fortbewegungsmittel wählen – das wird in Wien immer mehr gelebt. Wir haben eine deutliche Steigerung beim Radverkehr – auch weil wir dabei sind, schwierige Punkte im Radwegenetz zu bereinigen. Fehlende Radabstell-Anlagen sind aber eines der größten Probleme, auch bei privaten Häusern. Wir werden aus den Mitteln der Parkraumbewirtschaftung eine eigene Aktion starten für Hausherren, die nachrüsten wollen.

Die Stadt zahlt privaten Hausbesitzern die Radständer?

Schicker: Wir werden einen gewissen Anteil übernehmen.

ZUR PERSON

Rudi Schicker, geboren am 23.August 1952, ist seit 2001 Stadtrat für Verkehr und Stadtplanung. Davor war der SP-Politiker Bezirksrat und Gemeinderat für den dritten Bezirk. Der begeisterte Bergsteiger ist seit April 2005 auch Vorsitzender der Naturfreunde Wien.

Karriere. Studium an der TU Wien (Raumplanung und Raumordnung), ab 1988 Geschäftsführer der Österreichischen Raumordnungskonferenz. 1997 war Schicker Leiter der österreichischen Delegation in der EU-Ratsarbeitsgruppe „Strukturmaßnahmen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2007)


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