Interview: „Kein klares Grundsatzurteil“

Strafrechts-Experte Fuchs von der Uni Wien hält die Beihilfe zum Selbstmord im Ausland für erlaubt.

Die Presse: Wieso wird man angeklagt, wenn man als Österreicher in der Schweiz, wo das erlaubt ist, Sterbehilfe leistet?

Helmut Fuchs: Das ist nicht so einfach. Prinzipiell werden Taten von Österreichern im Ausland bestraft, wenn sie am Tatort strafbar sind. Das ist hier nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat wohl argumentiert, dass die Tat, Mitwirkung am Selbstmord, in Österreich geleistet wurde. Etwa dadurch, dass der Mann seine Frau von Österreich in die Schweiz zum Sterbehilfeverein gebracht hat. Die Sicht ist strittig.

Inwiefern?

Fuchs: Insofern als es hier der Sache nach um eine Beteiligung an einer Straftat geht. Das ist kompliziert, weil die Beihilfe am Selbstmord als eigenständiges Delikt konzipiert wurde, aber nur deshalb, weil die Selbsttötung allein nicht strafbar ist. Trotzdem sind hier die Regeln der Beteiligung an einer Straftat anzuwenden. Und da ist prinzipiell zu fragen, ob eine Beihilfe strafbar sein soll, wenn die Tat selbst am Ort der Ausführung erlaubt ist. Es gibt keine herrschende Lehre, aber meiner Meinung nach wäre es unlogisch, wenn man jemandem nicht bei etwas helfen kann, wenn es dort, wo es geschieht, legal ist.

Ihrer Meinung nach wäre die Tat in Österreich nicht strafbar?

Fuchs: Genau, für mich wäre das ein Fall des 65 StGB, ein Freispruch mangels Strafbarkeit.

Der Freispruch wurde anders begründet. Der Angeklagte ist „in seinem Schuldverhalten entschuldigt“. Taugt so ein Urteil, wie die Anklage warnt, als Freibrief für Sterbehilfetourismus?

Fuchs: Gemeint ist wohl entschuldigender Notstand, also eine Druck-und Zwangssituation, in der auch von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten ist. Das ist etwas, mit dem die Rechtsprechung zu Recht sehr zurückhaltend ist und das nur für den Einzelfall beurteilt werden kann. Insofern ist das kein klares Grundsatzurteil, insgesamt bleibt alles im Ungewissen. Zu bedenken ist weiter, dass man mit dieser Begründung auch hätte freisprechen müssen, hätte sich das alles in Österreich abgespielt. Ich persönlich hätte dabei – sofern man das von außen beurteilen kann – aber kein gutes Gefühl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2007)

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