Kampusch-Ermittler: Interne Grabenkämpfe

(c) Reuters (Heinz-Peter Bader)
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Kommissionsbericht deckt auf: Die restlose Aufklärung des Falles Kampusch wird durch Versäumnisse der Polizei und der Staats-Anwaltschaft erschwert.

Es gebe im Fall Natascha Kampusch „nach wie vor personenbezogene Verdachtsmomente“ – dies sagt der Zwischenbericht der Evaluierungskommission, über den „Die Presse“ bereits exklusiv berichtete. Noch immer „stehen wesentliche Befragungen aus“, heißt es. Alles Hinweise darauf, dass es rund um den Entführer Wolfgang Priklopil – er beging nach der Flucht von Natascha Kampusch Selbstmord – Mitwisser gibt. Das Problem: Die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft weist laut dem Bericht schwere Mängel auf, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden funktioniert nicht.

An der Empfehlung der sechsköpfigen Kommission unter der Leitung des Ex-Verfassungsgerichtshofpräsidenten Ludwig Adamovich ändert dies jedoch nichts: Die im November 2008 eingesetzte Sonderkommission der Polizei möge ihre Erhebungen „mit Nachdruck fortführen, um die bestehenden Unklarheiten endgültig zu bereinigen“.

Andere Sex-Täter ausgeforscht

Die Versäumnisse im Einzelnen: Im Zuge der wieder aufgenommenen Ermittlungen ging die Polizei der Frage nach, ob die Entführung (das Opfer wurde achteinhalb Jahre in einem Verlies im niederösterreichischen Strasshof gefangen gehalten) auch mit einem Pornoring zu tun haben könnte. Bei Befragungen in der einschlägigen Clubszene erhielten die Fahnder einen anonymen Hinweis, der zur Klärung eines Verbrechens vom 27. Juli 2002 führte. Damals wurde eine Jugendliche von zwei Männern niedergeschlagen und dabei schwer verletzt. Die nun ausgeforschten Täter geben zu, dass sie die junge Frau verschleppen und sexuell missbrauchen wollten.

Damit nicht genug: Die Fahnder kamen auch auf die Spur von drei Männern, denen schwerer Betrug vorgeworfen wird. Sie sollen im September 2002 einem 69-jährigen Schweizer 300.000 Schweizer Franken für das „Freikaufen“ einer Prostituierten aus einem Rotlichtlokal herausgelockt haben. Einer dieser drei Männer gilt auch im oben erwähnten Fall (Zusammenschlagen einer Jugendlichen) als Täter. Über diese Ermittlungsergebnisse, die mit dem Fall Kampusch offenbar nichts zu tun haben, berichtete die Soko der Staatsanwaltschaft. Wobei es im Fall um den 69-Jährigen sowohl schon im Jahr 2002 als auch bei den neuen Erhebungen große Verwirrung um die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts gab.

Die Kommission wollte daher klärend eingreifen, bat um ein Gespräch mit den Beamten, die seinerzeit eingesetzt waren. Jedoch: „Von den drei in Betracht kommenden Beamten ist nur einer erschienen; seine Ausführungen waren allerdings nicht zweckdienlich.“ Doch die Soko wird auch gelobt: Im Falle der niedergeschlagenen Frau sei „ausgezeichnete Arbeit“ geleistet worden.

In dem Betrugsfall hat es die Soko, laut Bericht, bis zuletzt schwer: Sie bat die Staatsanwaltschaft (StA) um Anordnung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen – bekam aber keine Antwort. Auch sonst gab es von der StA „keine Rückmeldungen auf die Zwischenberichte“. Eine „Reaktion“ der StA „auf abgegebene Kripo-Berichte“ sei aber „notwendig“, so die Kommission.

In einem Amtsvermerk der Soko heißt es, die zuständige Staatsanwältin habe die Polizei in groben Tönen kritisiert, die Ermittler hätten den Fall der niedergeschlagenen Frau rechtlich falsch beurteilt. Die von der StA vorgegebene Beurteilung sei jedoch auch völlig verfehlt, sagt nun der Bericht.

Um diesen „problemhaften Facetten“ der Zusammenarbeit beizukommen, schlägt die Kommission vor, das Bewusstsein der Polizei für die „rechtliche Etikettierung von Kripo-Berichten (. . .) zu schärfen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2009)

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