Kampusch-Kommission: „Wir machen weiter“

(c) Reuters (Herbert Neubauer)
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Kommissionsleiter Adamovich will Kampusch „nicht zu nahe treten“, fordert Klärung „objektiver Fragen“.

Wien (m. s.). Noch vor zwei Wochen war jene Evaluierungskommission, die Pannen im Entführungsfall Natascha Kampusch aufgedeckt hat, kurz davor, ihre Arbeit hinzuschmeißen. Zu oft, so Kommissionschef Ludwig Adamovich, sei die Kritik des sechsköpfigen Expertengremiums nicht ernst genug genommen worden. Seit Freitag ist nun klar: Die Arbeit wird doch nicht niedergelegt.

„Die Kommission macht weiter“, sagte Adamovich nach einer Sitzung mit seinen Mitarbeitern. „Wir wollen Natascha Kampusch nicht zu nahe treten, es gibt aber bestimmte objektive Fragen, die noch aufgeklärt werden müssen.“

Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs spielte damit einmal mehr darauf an, dass die Kommission ernste Zweifel an der beständig von der Staatsanwaltschaft Wien kolportierten Einzeltätertheorie hegt. Auch das persönliche Umfeld des Entführers Wolfgang Priklopil lässt nach wie vor Raum für Spekulationen. So hatte schon kurz nach Kampuschs Verschwinden im Jahr 1998 ein Polizist den ermittelnden Beamten von möglicherweise pädophilen Neigungen Priklopils berichtet, dies aber unter aufklärungswürdigen Umständen wieder zurückgenommen.

Ermittlerteam nie gebildet

Der plötzliche Sinneswandel der Evaluierungskommission ist vermutlich damit zu erklären, dass die Wiener Staatsanwaltschaft dem langen Drängen von Soko Kampusch (Bundeskriminalamt) und Evaluierungskommission nachgegeben hat, die Protokolle jener Einvernahme freizugeben, die unmittelbar nach Kampuschs Flucht in der Polizeiinspektion Deutsch-Wagram stattgefunden hatte. Wie „Die Presse“ berichtete, dürfen die Kriminalisten die Protokolle, die bis heute im Safe der Staatsanwaltschaft liegen, am kommenden Dienstag lesen.

Trotzdem ist die Adamovich-Kommission noch lange nicht zufrieden. So verweisen die Experten auf ein Treffen im Mai 2008, an dem Vertreter von Staatsanwaltschaft Wien, Oberstaatsanwaltschaft Wien und Innenministerium teilgenommen haben. Dabei einigte man sich auf die Bildung eines Teams, bestehend aus Kripo-Beamten und Vertretern der Anklagebehörde. Einzig: Dieses Team wurde bis heute nicht gebildet. Die Kampusch-Kommission fragt nun: Warum?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2009)

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