Spanien: Ansturm von Flüchtlingen auf die Kanaren

Gutes Wetter und geringer Wellengang ermutigen derzeit viele Afrikaner zu der gefährlichen Überfahrt.

Santa Cruz. Rote, grüne und blaue Kähne schaukeln im Hafen von Los Cristianos auf der spanischen Kanareninsel Teneriffa. Fast idyllisch wirkt die Szene – säßen da nicht Dutzende erschöpfte Gestalten, die Passagiere eines dieser Boote, auf dem Kai. Zitternd unter Decken, die ihnen Helfer des Roten Kreuzes umgehängt haben. Wollmützen auf dem Kopf, Wasserflaschen in der Hand. Afrikanische Migranten, die gerade mit ihrem gut zehn Meter langen und farbenfroh gepinselten Holzboot im Hafen ankamen. Im Schlepptau eines orangen Rettungsschiffes des spanischen Staates.

Fast täglich werden nun wieder afrikanische Boat-People auf den Kanarischen Inseln angetrieben. Vor allem auf Teneriffa, Gran Canaria und Lanzarote. Gut tausend kamen seit dem Wochenende. Die meisten aus Marokko, der Elfenbeinküste, Gambia, Senegal und Mauretanien. Die größte Welle afrikanischer Wirtschaftsflüchtlinge, welche die Kanarenbewohner seit Jahresbeginn gesehen haben. Das gute Seewetter und geringer Wellengang auf dem Atlantik sorgen offenbar dafür, dass derzeit viele Afrikaner die gefährliche Überfahrt wagen.

„Beliebteste illegale Route“

„Der Migrantenfluss Richtung Kanaren wird eine der beliebtesten Routen für die illegale Einwanderung Richtung Europa bleiben“, prognostiziert die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Eine relativ junge EU-Behörde, die mit Booten, Hubschraubern und Flugzeugen die europäischen Wassergrenzen bewachen soll. Merkwürdigerweise wurde die EU-Mission vor Westafrika nun vorübergehend ausgesetzt. Ausgerechnet jetzt, wo sich, wie man hört, Tausende in Westafrika für die Überfahrt zu den Kanaren rüsten. Nur die spanische Küstenwacht hält derzeit Ausschau nach illegalen Einwanderern und versucht, so weit möglich, die Verzweifelten zur Kursänderung und Rückkehr nach Afrika zu zwingen.

Ein Katz- und Mausspiel, auf das sich auch jene Schlepperbanden eingestellt haben, die das Geschäft der illegalen Einwanderung organisieren. Die spanische Küstenwacht spricht von „gut organisierten Manövern“. Sie meint damit, dass neuerdings ganze Flotten von Migrantenbooten gleichzeitig von der westafrikanischen Küste ablegen. Das Kalkül laute offenbar: „Einige kommen immer durch.“ Andere ertrinken derweil auf der riskanten Passage.

Massen in Auffanglagern

Schätzungen zufolge starben im vergangenen Jahr bis zu 7000 Afrikaner im Atlantik. Gut 32.000 gelangten derweil 2006 lebend auf die Kanaren. Derzeit geht es mit der Zahl der Ankömmlinge wieder steil nach oben. Schon drängeln sich wieder in den Auffanglagern die Menschen, welche darauf warten, dass über ihr weiteres Schicksal entschieden wird. Soweit ihre Nationalität festgestellt werden kann und entsprechende Abkommen mit ihrem Heimatland bestehen, werden sie abgeschoben. Doch bei der großen Mehrheit ist die Identifikation schwierig – sie dürfen bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2007)

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