Ungarn: Polizisten als Vergewaltiger und Gelddiebe

Ungarns Polizei wird von einer ganzen Serie von Skandalen erschüttert. Nun greift die Politik ein.

Budapest. Bei der ungarischen Polizei ist Feuer am Dach. Eine lange Kette von Skandalen hat die Exekutive in den vergangenen Wochen erschüttert. Für das größte Aufsehen sorgte dabei die mutmaßliche Vergewaltigung der 21-jährigen Zsanett E. Die junge Frau sagte aus, dass sie von Polizisten zum Sexualverkehr genötigt worden sei. Laut Aussage der jungen Frau wurde sie in Budapest auf der Heimfahrt mit dem Auto von den fünf Polizisten angehalten. Da sie keine Papiere bei sich gehabt habe, habe sie die Beamten überreden können, zu ihrer Wohnung zu fahren. Zielort der Fahrt war aber nicht ihre Wohnung, sondern ein verlassener Ort, wo sich zwei der Polizisten an ihr vergangen hätten, die anderen drei hätten dabei zugesehen. Die Beamten sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.

Beamte als Waffenhändler

Der „Fall Zsanett E.“ ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Polizeiskandalen. Begonnen hatte alles mit einem betrunkenen Polizeioffizier, der einen Verkehrsunfall verursacht hatte. Darauf folgte der Skandal rund um einen Banküberfall, bei dem zum ersten Mal in Ungarn Geiseln genommen wurden. Nachdem der Bankräuber erschossen worden war, wurde ein Beamter der Spurensicherung mit dem Zählen des erbeuteten Geldes beauftragt. Dabei steckte er sich rund eine halbe Million Forint (etwa 2.000 Euro) in die eigenen Taschen.

Für viel Wirbel sorgten auch jene dreizehn korrupten Polizisten, die nach Verkehrsunfällen die beschädigten Autos stets von denselben zwei Firmen abtransportieren ließen. Dabei sprangen für die Beamten fette „Provisionen“ heraus. In den Medien wurde überdies von Polizisten berichtet, die des Zigarettenschmuggels, ja sogar des Waffenhandels überführt wurden.

Brutalität bei Demonstrationen

Angesichts dieser Häufung polizeilicher Vergehen, platzte Premier Ferenc Gyurcsány nun der Kragen: „Es ist unentschuldbar, was bei der Polizei passiert ist. Wenn wir nichts unternehmen, werden die Menschen vor jedem Polizisten auf der Straße Angst haben.“ Die bürgerlich-konservative Opposition wiederum meinte, dass die Polizei in einer „tiefen moralischen Krise steckt.“ Die Bevölkerung sieht es ähnlich: Nach einer jüngsten Meinungsumfrage haben zwei Drittel der Ungarn heute eine schlechtere Meinung von der Polizei als noch vor einigen Wochen. Als Konsequenz aus den Skandalen wurde sowohl dem Landespolizeipräsidenten László Bene als auch dem „eisernen Präfekten“, dem Budapester Polizeipräsidenten Péter Gergényi, der Stuhl vor die Tür gestellt. Polizeiminister József Petrétei nahm selbst den Hut.

Erst vor wenigen Tagen wurde die ungarische Polizei auch von amnesty international (AI) heftig kritisiert. In ihrem Jahresbericht 2006 wirft AI der ungarischen Exekutive übertriebene Gewalt und eine brutale Vorgehensweise bei den Straßenunruhen im vergangenen Herbst vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2007)

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