Kriegsspiele: Gotteskrieger stürmen das Kinderzimmer

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Abseits klassischer Medien hat der Propaganda-Krieg in ideologischen Computerspielen eine neue Kampfzone gefunden.

WIEN. Auf den Computerschirmen tobt die PR-Schlacht schon seit Jahren. US-Spezialeinheiten verhinderten dabei die russische Weltherrschaft, verteidigten die Erde gegen Alien-Invasionen und befreiten Geiseln aus dem Nahen Osten. Doch der Orient schlägt immer häufiger mit anti-westlichen Eigenproduktionen zurück.

Auch der Iran hat kürzlich mit dem Ego-Shooter „Special Operation 85: Hostage Rescue“ die virtuelle Aufrüstung geschafft. Die teils reale Handlung des Spiels: US-Soldaten haben Atomwissenschaftler nach Israel entführt. Dem Spieler kommt die Aufgabe zu, sich als iranischer Soldat nach Israel durchzukämpfen und die Gefangenen zu befreien.

Die Mitglieder der „Union of Islamic Student Societies“, die das Spiel – unterstützt von der iranischen Regierung – programmiert haben, wollen sich damit gegen den „kulturellen Angriff des Feindes“ wehren. Der virtuelle Erstschlag, auf den sich die Studenten beziehen, geschah vor zwei Jahren: Der US-Spielehersteller „Kuma\War“, der eng mit dem US-Militär zusammenarbeitet, hat damals ein Kriegsspiel mit dem Titel „Assault on Iran“ veröffentlicht und damit im realen Iran eine Welle der Empörung ausgelöst.

Ideologie schlägt Technik

Wie die amerikanischen „Kuma\War“-Spiele, will auch das iranische Gegenstück nicht durch Technik, sondern mit (halb)realen Handlungen punkten. Während der US-Hersteller seine Produkte aber als Infotainment sieht, die in einer Reihe mit Doku-TV-Sendern wie „History Channel“ und „Discovery“ stünden, liegen dem iranischen Shooter moralische Ambitionen zu Grunde: „Wir versuchen in diesem Spiel die Idee der Verteidigung, des Opfers und des Märtyrertums voranzubringen“, sagt Mohammad Taghi Fakhrian, Sprecher der Studentenunion.

Wesentlich weniger Wert auf ein moralisches Deckmäntelchen legen da Hisbollah- und Palästinenser-Sympathisanten, die ebenfalls bereits Propaganda-Shooter veröffentlicht haben. Sogar aus dem Umfeld der technologiefeindlichen Taliban gibt es bereits ein „Spiel für alle kleinen Terroristen“. Den derzeitigen Gipfel der Geschmacklosigkeit dürfte aber das Flash-Spiel „Kaboom“ bilden, bei dem der Spieler in die Rolle eines Selbstmordattentäters schlüpft. Pikant daran ist, dass das Spiel von einem US-Bürger stammen soll.

Doch nicht nur paramilitärische Organisationen haben den PR-Wert von Bildschirmgemetzeln erkannt. Das US-Militär umwirbt die amerikanische Jugend seit Jahren mit der detailtreuen Eigenproduktion „America's Army“ – und das offensichtlich mit Erfolg: Heuer schrieb das Pentagon erstmals die mit 200.000 US-Dollar dotierte „Army Gaming Championship“ aus. Dabei soll mit teils äußerst brutalen Spielen der weltbeste Cyber-Soldat gefunden werden.

Keine „unnötige“ Brutalität

Im Iran distanziert man sich indes von unnötiger Brutalität. Programmierer Fakhrian will „Hostage Rescue“ nicht als Glorifizierung von „Terrorismus und Gewalt“, sondern als Werbung für „Selbstlosigkeit, Hingabe und die Verteidigung des Landes“ verstanden wissen.

Ob das Fehlen von digitalem Blut allerdings wirklich ein Zeichen von Friedfertigkeit ist – und nicht von technischer Unfähigkeit –, wissen wohl nur die iranischen Programmierer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2007)

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