Finnland: „Besoffen bist du ein Idiot“

(c) EPA (Frank Leonhardt)
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Mit einer drastischen Kampagne wollen justament finnische Bierbrauer das hemmungslose Saufen eindämmen.

Helsinki. Der junge Beau hat fesche Hosen an. Nur schade, dass er sie angepisst hat. Das Kleid der schönen Blonden ist so sexy wie ihre Frisur. Dass sie in ihre Handtasche kotzt, ist dagegen nicht ganz so attraktiv. Mit drastischen Fotos und Videoclips versucht nun ausgerechnet die finnische Brauindustrie, die Vorstellung zu zerstören, dass es cool sei, sich sinnlos zu betrinken.

„Besoffen bist du ein Idiot“ ist der Slogan einer Kampagne, mit der die Alkoholproduzenten junge Finnen ermahnen wollen, ihren Produkten maßvoller zuzusprechen. „Die meisten können mit Alkohol umgehen“, sagt Timo Jaatinen, der Chef des Brauereiverbandes, „aber manche haben Probleme. Zu trinken, nur um sich so richtig zu besaufen, das ist kein Vorbild für die Jugend.“

Doch „maßvoll und verantwortungsbewusst“ zu konsumieren, wie die Branche den Zechern nun einhämmert, ist in finnischen Bars und Kneipen eher die Ausnahme. Beim durchschnittlichen Bierkonsum pro Jahr liegen die Finnen zwar nicht höher als andere Europäer auch, doch viele tun dies nach dem Motto „selten, aber heftig“. „Wenn die Bars schließen, können die meisten nur noch wanken“, sagt eine Augenzeugin. Außerdem untertreibt die offizielle Statistik, weil darin fehlt, was Reisende aus dem Ausland heimschleppen und was in den Scheunen schwarz gebrannt wird.

Erste Erfahrungen ab zwölf

Obwohl der Verkauf von Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren verboten ist, machen viele schon mit zwölf ihre ersten Erfahrungen, und mit 15 hat mehr als jeder zweite den ersten Vollrausch schon hinter sich.

Ab 1. Jänner müssen zwar alle Flaschen mit einer Warnung versehen sein: „Achtung! Alkohol kann deiner Gesundheit schaden und deinem ungeborenen Kind.“ Doch für junge Leute sind krassere Methoden angesagt. Darum werden jetzt die Plakatsäulen und Werbesendungen mit der Botschaft vollgepflastert, dass Besäufnisse idiotisch seien: „Ich bin so schön“, bildet sich eine Betrunkene ein. „Na klar“, kommt höhnisch die Antwort: „Wenn rinnender Mascara und geknickte Absätze schön sind.“

Ein anderer Säufer liegt bekleidet in der Badewanne. Mühsam versucht er sich zu erinnern, woher die Wunden stammen, die er sich geholt hat. Er hat sich geprügelt, einen Menschen überfahren, seine Freundin hat ihn rausgeworfen. Im nächsten Clip torkelt ein Mädchen durch die Stadt. Am Morgen wird sie nicht wissen, mit wem sie die Nacht verbrachte oder dass ihr Bild beim Pinkeln am Straßenrand bei YouTube gelandet ist.

Scheinheilige Kampagne?

Eine scheinheilige Kampagne, weil sie gerade von der Branche kommt, die am Zechen verdient? Jaatinen weist den Vorwurf zurück: „Die Produzenten machen sich Sorgen, wenn ihre Produkte falsch verwendet werden.“ Darum will man eine Debatte über die Trinksitten wecken. In Finnland sind viele immer noch der Ansicht, dass eine angebrochene Flasche geleert gehört. „Aber wenn jemand ein Paket Butter kauft, verzehrt er es auch nicht auf einen Sitz,“ sagt Jaatinen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2007)

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