NS-Zeit: Juden-Massaker als privater Blutrausch

Ein Fest auf Schloss Rechnitz artete zu Kriegsende in eine Gewaltorgie aus. Angeprangert wird dafür die "Gastgeberin der Hölle", Gräfin Margit Batthyány.

Berlin (vier). Die Niederlage war eine Frage der Zeit. Unaufhaltsam rückte die Rote Armee heran, als Gräfin Margit von Batthyány ein rauschendes Fest auf ihrem von der SS requirierten Schloss im südburgenländischen Rechnitz gab. Was zunächst wie ein makabrer Tanz auf dem Vulkan anmutete, ging als Massaker in die Annalen ein.

Denn die Gräfin hatte für ihre Gäste, Honoratioren und NS-Leute, in jener Nacht vom 23. auf den 24. März 1945 eine perverse Mitternachtsüberraschung parat: Der Gestapo-Mann Franz Pozedin ließ 200 jüdische Zwangsarbeiter in einer Scheune zusammentreiben und forderte handverlesene Gäste auf, das Feuer auf die ausgezehrten, nackten Opfer zu eröffnen. Anschließend ging das Gelage im Schloss weiter, die Täter rühmten sich ihres Blutrauschs. Wenig später entdeckten russische Soldaten die Massengräber. Das Protokoll vermerkte: „Insgesamt fand man 21 Gräber, jedes vier bis fünf Meter lang und einen Meter breit. In jedem Grab liegen zehn bis zwölf Personen, die durch Genickschuss mit Pistolen oder automatischen Gewehren getötet wurden.“

Österreich erhob nie Anklage gegen Gräfin

In großer Aufmachung rief nun David Litchfield in der FAZ die Episode in Erinnerung. Insbesondere prangerte er die „Gastgeberin der Hölle“ an: Gräfin Margit Batthyány, geborene Thyssen-Bornemisza. Litchfield hatte ein Buch über die Industriellendynastie geschrieben, aus der auch der Kunstsammler Hans Heinrich von Thyssen-Bornemisza und dessen Tochter Francesca von Habsburg stammen. „Heini“ war der Bruder Margits, die sich nach dem Krieg in der Schweiz niederließ und dort 1989 als unbescholtene Bürgerin starb. Österreichs Justizministerium erhob nie Anklage gegen die Gräfin. Die übrigen Täter kamen mit glimpflichen Strafen davon. Eingeschüchterte Zeugen hatten die Aussagen widerrufen. Die Hauptdrahtzieher, Pozedin und Schlossverwalter Joachim Oldenburg, entzogen sich durch Flucht nach Südafrika und Argentinien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.