Tibeter – ein Volk im Schatten der fünf Ringe

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Olympia. Tibets Unabhängigkeits-Bewegung wittert vor den Olympischen Spielen in Peking 2008 ihre Chance, sich international ins Rampenlicht zu stellen.

WIEN/LAUSANNE.Sie leben in der Schweiz, in England, Deutschland, Indien und in den USA. Aber als Kinder tibetischer Flüchtlinge schlägt ihr Sportler-Herz für das – aus ihrer Sicht zu Unrecht – zu China zählende Hochland. Ihr gemeinsames Ziel ist es daher, bei den Olympischen Spielen in China dabei zu sein. Nicht als Zuseher, sondern für „ihr Land“ als Athleten für das „Team Tibet“. „Rund 30 Sportler sind in diesem Kader“, sagt Wangpo Tethong. „Nicht alle sind Olympia-reif, keine Frage. Aber es sind etliche dabei, zwei Beachvolleyballer, ein Tischtennisspieler und zwei, drei Leichtathleten, die unsere Limits erfüllen.“ Wangpo Tethong ist der Präsident des im Vorjahr gegründeten Nationalen Olympischen Komitee Tibets NOKT. Und der Züricher hat sich ein hohes Ziel gesteckt: Er möchte vom Internationalen Olympischen Comitee IOC eine offizielle Einladung zu den Spielen in Peking erreichen. Die notwendigen Dokumente habe sein Komitee im Sommer hinterlegt. Noch, sagt der in Zürich lebende Exil-Tibeter, habe er vom IOC keine Antwort erhalten.

IOC: Keine Chance für Tibet

Auf Anfrage der „Presse“ meinte IOC-Sprecherin Sandrine Tonge, dass nur jene Länder Delegationen zu Olympischen Spielen entsenden dürfen, die als unabhängiger Staat international anerkannt sind. Eine Voraussetzung, die Tibet keineswegs erfüllt. Weshalb etwa Taiwan, das von China als abtrünnige Provinz betrachtet wird und nur von wenigen Staaten anerkannt ist, mit einer eigenen Delegation bei Olympia dabei sein dürfe, begründet Tonge so: Bevor 1996 die Olympische Charter reformiert wurde, konnten auch „anerkannte Regionen“ den Status eines „Staates“ erhalten. Ein Weg der für Tibet nun verschlossen ist.

Auch deshalb hält NOKT-Österreich-Sprecher Lobsang Gyalpo die Teilnahme-Chancen für das „Team Tibet“ im kommenden Jahr für gering. Er sieht in der Anerkennung Tibets ein langfristiges Projekt. Aber, sagt er, „mit der Gründung des NOKT wollten wir zweierlei erreichen. Einerseits aus der Opferrolle heraustreten und andererseits ein aktives Zeichen setzen und sagen: Wir wollen dabei sein.“ Ein Boykott der Spiele sei, sagt der in Wien lebende Gyalpo, das falsche Signal an die Welt.

In Neu-Delhi gab es dennoch massive Proteste und Boykott-Aufrufe. Eine Gruppe von 14 Tibetern war in Hungerstreik getreten und hatte 33 Tage hungernd gegen die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking protestierten.

Dalai Lama appellierte

Die Mitglieder des Tibetischen Jugendkongresses beendeten ihre Protestaktion erst nach Appellen des Dalai Lama und indischer Abgeordneter. Die Hungerstreikenden hatten von China unter anderem Auskunft über den Verbleib des Pantschen Lama, der von den buddhistischen Tibetern als zweithöchstes geistliches Oberhaupt verehrt wird, gefordert. Die Menschenrechtler vermuten China hinter dessen Verschwinden, was die Volksrepublik bestreitet. Seit 1995 wird der damals Sechsjährige vermisst. Zudem verlangen die hungerstreikenden Tibeter von Peking ein Bekenntnis zu den Menschenrechten und eine Unterstützung der Entwicklung Tibets.

Gegen-Olympia in Indien

Eine andere exil-tibetische Gruppe ließ mit einer kreativen Idee aufhorchen: Sie will drei Monate vor den Chinesen im Mai in Indien eigene „Olympische Spiele“ ausrichten. Es soll damit dem China-Bild widersprochen, das Tibet als Teil eines vereinigten China zeichnet. Die Spiele sollen in Dharamsala stattfinden, wo der Dalai Lama, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter, lebt und auch die tibetische Exilregierung ihren Sitz hat. An den Spielen in Dharamsala können nach Angaben der Veranstalter alle Tibeter teilnehmen. Sie müssten lediglich die Reisekosten selbst übernehmen, für Unterkunft und Verpflegung werde gesorgt.

2008 – GEEINTES KOREA

Nord- und Südkorea haben sich darauf geeinigt, eine gemeinsame Anhänger-Delegation 2008 nach Peking zu entsenden. Nordkoreas Machtinhaber Kim Jong Il und Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun unterzeichneten eine diesbezügliche Deklaration.

Bei den Spielen In Sydney 2000 traten die Athleten der seit Jahrzehnten verfeindeten Staaten bei der Eröffnungs- und Schlusszeremonie gemeinsam auf. 2008 reisen die Anhänger per Zug nach China – als geeintes Korea.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2007)

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