Valencia: 130 Länder brüten über Klimareport

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Just beim Umweltsünder Spanien findet diese Woche eine Klima-Konferenz statt. Aus dem UN-Bericht soll eine Handlungsanleitung destilliert werden.

Valencia. Ausnahmsweise sind die Demonstranten, die vor dem Gipfelgebäude ihre Transparente entfalten, nicht gegen das, was hinter den Türen des Konferenzpalastes besprochen wird. Im Gegenteil: „Wir fordern alle auf, dass sie auf jene Menschen hören, die da drinnen sitzen“, sagt Greenpeace-Sprecherin Raquel Monton. „Wir müssen das Klima jetzt retten“, lautet die Botschaft der Umweltschützer draußen. Und dies entspricht dem Kern des Abschlussberichts, über den der Welt-Klimarat noch bis zum Samstag im spanischen Valencia berät.

Die Menschheit könne es sich nicht leisten, „die Chance zu verpassen“ und die Forderungen der globalen Klimaforschungsgemeinschaft zu ignorieren, warnt Rajendra Pachauri, Präsident des Welt-Klimarates.

„Kriminelle Politiker“

Der Leiter des UN-Klimareferats Yvo de Boer bezeichnet vorsorglich jene Politiker als „kriminell“, die angesichts des Klimawandels die Warnungen in den Wind schlagen. Die globale Erwärmung „ist eine Tatsache und wird durch den Menschen verursacht. Jetzt müssen wir handeln.“ Der Vize-Chef der UN-Wetterorganisation Yan Hong beschwört sogar eine Bedrohung des Weltfriedens herauf, weil die Gefahr von Hungersnöten und Dürren steige. Gerade Spanien, Gastgeber der Konferenz, muss das in den Ohren klingen, denn die Spanier zählen zu den größten Umweltsündern in Europa.

Sie haben durch rücksichtsloses Wirtschaftswachstum ihren Treibhausgas-Ausstoß seit 1990 um 50 Prozent erhöht. Das Kyoto-Abkommen erlaubt den Iberern aber nur einen Zuwachs von 15 Prozent. Damit gehört Spanien zu jenen Staaten der Welt, die sich am weitesten von den Kyoto-Vorgaben entfernten. Nur noch übertroffen von jenen, die das Umweltabkommen erst gar nicht ratifizierten, wie die USA oder Australien. Das deutsche Umweltministerium warf Washington bei der Konferenz vor, den Klimaschutz zu blockieren. „Sie treiben ein böses Spiel“, so der Parlamentarische Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD). Die USA versuchten, den Zusammenhang zwischen von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen und Klimaänderungen zu relativieren.

Es passt irgendwie, dass die Umgebung des Konferenzortes, das Wissenschaftsmuseum in der Mittelmeerstadt Valencia, vor kurzem durch eine ungewöhnliche tropische Flut unter Wasser gesetzt wurde. Wissenschaftler sprachen entsetzt von der „Tropikalisierung“ des Klimas im Mittelmeerraum.

Zur spanischen Umwelt-Sorglosigkeit gehört auch, dass Spaniens konservativer Oppositionschef Mariano Rajoy dieser Tage Zweifel an Katastrophen-Prognosen äußerte und seinen Landsleuten empfahl, die angebliche Klimakrise „nicht in ein großes globales Problem zu verwandeln“.

Ein Land im Tiefschlaf

Da ist Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef José Luis Zapatero schon etwas weiter und versucht wenigstens, Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen. Nach langem Tiefschlaf entdeckt nun auch das Sonnenland die Solarenergie und will zugleich den bisher ziemlich ungebremst kontaminierenden Autoverkehr mit einer Abgassteuer zügeln.

Den Kyoto-Vertrag wird Spanien damit zwar nicht mehr erfüllen können. Aber vielleicht gelingt es wenigstens, den Vorgaben des Nachfolgeabkommens näher zu kommen, das von Dezember an im indonesischen Bali ausgehandelt wird. Dem Klimareport zufolge lässt sich die Erderwärmung auch mit einem radikalen Kurswechsel in der Umweltpolitik nicht mehr aufhalten, sondern nur noch abmildern.

AUF EINEN BLICK

Die UN-Klimakonferenz in Valencia soll eine Art Handbuch für die Politik verabschieden, das die mehr als 10.000 Seiten des komplexen UN-Klimaberichtes zusammenfasst – als Basis für die Gespräche zu einem Kyoto-Nachfolgeabkommen. Nach den Berechnungen der Forscher führt der Klimawandel zu globaler Temperaturerhöhung, einem Anstieg des Meeresspiegels, längeren Trockenperioden, einer Verschiebung der Niederschlagsmuster und vermehrten tropischen Unwettern. Zudem kommt es nach Ansicht der Experten dadurch zu einer zunehmenden Migration von Afrika Richtung Europa. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2007)

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