Kokain ist nicht mehr die Droge der Reichen

AP
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In der gesamten Europäischen Union gibt es pro Jahr 7000 bis 8000 Drogentote, dies zeigt der aktuelle EU-Drogenbericht.

Brüssel/Lissabon (red).2003 starben in Österreich 163 Menschen an einer Überdosis, im Jahr 2005 waren es 191. Fast alle diese Todesfälle sind nachweislich auf das Konsumieren von Opiaten, also Heroin, zurückzuführen. Österreich findet im jüngsten Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) eine spezielle Erwähnung: Denn EU-weit ist es nur in Österreich, Griechenland, Portugal und Finnland zu einem Anstieg von Drogentoten gekommen – und das um 30 Prozent. In der gesamten EU gibt es pro Jahr 7000 bis 8000 Drogentote.

Etwa 40 Prozent aller Jugendlichen haben hierzulande schon einmal Haschisch geraucht. Doch insgesamt, so der Bericht, stabilisiere sich der Konsum von Cannabis. Es gebe Anzeichen einer sinkenden Popularität vor allem unter jungen Menschen. Die Gefahren dieser Droge sind zwar im Vergleich zu Opiaten geringer, dennoch kommt es bei massivem Gebrauch zu Problemen. „Cannabis kann eine Reihe von psychotischen Störungen auslösen“, erklärte Roland Simon von der EU-Beobachtungsstelle bei der Präsentation in Brüssel. „Wir wissen mittlerweile, dass Haschisch in vielen Fällen psychotische Probleme schafft. Es sind Störungen im Umgang mit der Umwelt. Die Leute funktionieren nicht mehr so, wie sie funktionieren sollen“, so der Drogen-Experte.

Die Merkfähigkeit und das Gedächtnis können durch den Cannabis-Wirkstoff THC, der wochenlang im Körper bleibt, beeinträchtigt werden. Die schulische Leistung leide dadurch. Außerdem falle das Einstiegs-Alter für den Cannabis-Konsum mit 14 bis 17 Jahren genau in eine wichtige Phase von Heranwachsen und Ausbildung. Zudem könne Cannabis psychische Erkrankungen auslösen, die ansonsten vielleicht gar nicht oder erst später aufgetreten wären.

Rekordzahlen bei Drogenfunden

Weitere Erkenntnis des Drogenberichts: Nach der am häufigsten konsumierten Droge Cannabis ist Kokain auf dem Vormarsch. Der Konsum hat in Europa dramatisch zugenommen. Innerhalb eines Jahres gab es eine Million neue Kokain-Benutzer. So stieg die Zahl von 3,5 Millionen Kokain-Konsumenten im Jahr 2006 auf 4,5 Millionen im heurigen Jahr. Mindestens zwölf Prozent der Erwachsenen haben diese Droge probiert.

Grund dafür ist, dass Kokain einen Wandel durchgemacht hat: Die einstige Droge der Reichen und Schönen ist zu einem Suchtgift geworden, das von allen Gesellschaftsschichten konsumiert wird. Die Preise sind so niedrig wie nie. Weiters variiert der Kokain-Konsum je nach Land. In Österreich ist es noch relativ wenig verbreitet.

Rekordzahlen gab es aber auch bei den Drogenfunden: 2005 etwa beschlagnahmte die Polizei in Europa 107 Tonnen Kokain, rund 45 Prozent mehr als noch 2004.

Ein positives Faktum ist laut EBDD-Chef Wolfgang Götz, dass immer mehr Drogensüchtige ihr Suchtproblem erkennen und sich in Therapie begeben. „Wir bekommen auch zunehmend mehr Drogenabhängige in die Behandlung.“

Aktionsplan für Österreich gefordert

Insgesamt beschreitet die EU in der Drogenpolitik einen Mittelweg. Der „Krieg gegen die Drogen“, den die USA geführt hätten, wäre fehlgeschlagen, hieß es am Donnerstag in Brüssel. Die EU nähere sich diesem Gesundheitsproblem ohne ideologische Scheuklappen und Anflüge von moralischer Kritik an den Drogenkranken. Für Österreich würden sich die Experten die Ausarbeitung und die Umsetzung eines nationalen Aktionsplans wünschen. Zur Formulierung müssten die Bundesländer zwar einbezogen werden, österreichweit solle aber ein gemeinsamer Plan gelten.

AUF EINEN BLICK

Stabilisierung. Laut dem heurigen Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) stabilisiert sich – nach einem mehr als zehnjährigen Anstieg des Drogenkonsums – die Lage in Europa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2007)

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