Die Wiedergeburt von Roma Mahalla

Kosovo. Mit internationaler Hilfe kehren die Roma nach Mitrovica zurück. Die Siedlung droht ein soziales Minenfeld zu werden.

Kosovska Mitrovica. Auf den Kinderschuh konnte der Bulldozer keine Rücksicht nehmen: Mit der Sohle nach oben wurde das Überbleibsel in den matschigen Untergrund gepresst. Tabula Rasa im Roma Mahalla: Denn das ehemalige Romaviertel von Kosovska Mitrovica soll auch das zukünftige sein.

Zumindest, wenn es nach den ambitionierten Plänen der Internationalen Gemeinschaft geht, die in der umstrittenen serbischen Provinz Kosovo das größte Rückkehrprojekt am gesamten Balkan inszeniert. 8000 Roma lebten hier kompakt im albanischen Süden der heute geteilten Stadt. Bis 1999, als die Albaner - eben noch selbst Opfer von Massenvertreibungen durch die Serben - über die Siedlung herfielen, die Bewohner verjagten und ihre Unterkünfte niederbrannten. Nicht ohne sie vorher geplündert zu haben. Und es gab einiges zu plündern im Roma Mahalla, denn viele Bewohner des Viertels lebten ganz gut - verglichen mit anderen Angehörigen ihrer Volksgruppe. Davon zeugen einige Mauern, die noch stehen: Massive Gebäude, passable Bausubstanz, nicht nur Wellblechhütten, die es freilich ebenso gab.

Die Bewohner hat es in alle Himmelsrichtungen verstreut. Die reicheren bis nach Westeuropa, die ärmeren nur ein paar Kilometer, auf das Areal der stillgelegten Trepca-Minen, wo sich ihr Körper sukzessive mit Blei anreicherte. WHO-Messungen zeigten ein Zigfaches der Grenzwerte an, was besonders für die vielen Kinder eine gesundheitliche Katastrophe bedeutet. Mittlerweile siedelt man ein Stückchen weiter abseits, doch immer noch in Reichweite des giftigen Staubes.

Ob reich oder arm: "Prinzipiell sollen alle zurückkehren. Das Problem ist nur, dass wir bei manchen gar nicht wissen, wo sie sind", sagt Daniele Rumolo, der "Gypsy King" von Mitrovica, wie er sich scherzhaft selbst nennt. Er ist bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für das Rückkehr- und Wiederaufbauprojekt zuständig. Stolz führt er durch einen der vier Blocks   12 Wohnungen, die schon fast fertig sind und auf 55 bis 75 Quadratmetern ersten 300 Menschen Platz bieten sollen. Einzugstermin laut Plan: erste Jahreshälfte 2007.

Wer früher auf Gemeindeland wohnte, kann hier unterkommen: "Die Bedürftigsten zuerst, wir haben da ein strenges Punktesystem entwickelt", erklärt Rumolo, der auf eine gewisse Eigendynamik hofft: "Wenn die erste Phase erfolgreich ist, kommen hoffentlich noch mehr Geber."

Auch die Roma selbst seien am Anfang äußerst skeptisch gewesen, mittlerweile gebe es aber immer mehr Anfragen auf Zuteilung einer Wohnung.

Wer hingegen Grundbesitz nachweisen kann, bekommt auf exakt diesem Stück Land ein neues Ein- bzw. Großfamilienhaus. Dieser Teil des Projekts wird nicht von der OSZE, sondern direkt von einzelnen Ländern finanziert. Auch hier sieht man schon erste Resultate, die allerdings noch etwas verloren in der Landschaft herumstehen.

Gerade der Aufbau der Einfamilienhäuser könnte sich aber noch zu einem sozialen Minenfeld entwickeln: Denn was geschieht mit den Häusern der Community-Führer, die teils villenartige Ausmaße annahmen? "Wenn man das mit internationalen Hilfsgeldern wiederaufbaut, ist Aufruhr vorprogrammiert", meint Hugo Mayer, ebenfalls von der OSZE. In jedem Fall aber sollen KFOR-Soldaten in dem Viertel patrouillieren, sobald die ersten Bewohner einziehen, fordert er.

1999 waren die NATO-Truppen nicht in der Lage, die Roma zu schützen. Diesmal sollen sie verhindern, dass sich der Neid unter den neuen alten Nachbarn Bahn bricht - und Roma Mahalla ein zweites Mal brennt.

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