Zuwanderer als "Retter der Nation"

Millionen von Immigranten aus einstigen sowjetischen "Bruderrepubliken" bewahren Russland vor einem drastischen Bevölkerungsrückgang.

MOSKAU. Die vorläufigen Ergebnisse der im vergangenen Jahr unter großem Propagandaaufwand durchgeführten Volkszählung zwingen die Russen zum Umdenken: Die Zuwanderer sind nicht - wie von vielen Russen angenommen - ein Übel, sondern sie sind die "Rettung der Nation".

Nach der Volkszählung leben heute in Russland 145,3 Mio. Menschen, 1,8 Millionen Menschen weniger, als bei der letzten Volkszählung 1989 gezählt wurden. Russland sackte vom sechsten auf den siebten Platz der bevölkerungsreichsten Länder der Erde ab und liegt jetzt hinter China, Indien, USA, Indonesien, Brasilien und Pakistan.

Der Rückgang der Bevölkerung wäre noch größer gewesen, wären seit 1989 nicht 5,5 Millionen Immigranten nach Russland übergesiedelt. Vorwiegend handelt es sich dabei um Russischsprachige aus den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien und dem Kaukasus.

Die Russische Föderation sei zum "Einwanderungsland" geworden, erklärte der Leiter des staatlichen Statistikkomitees, Wladimir Sokolin. Was die Zukunft betrifft, gibt es aber ein großes Fragezeichen. Denn der Hauptstrom der Umsiedlungswilligen ist bereits in Russland angekommen. Weitere Migrationsströme werden nicht erwartet.

Dass auf den russischen Frauenschultern große Lasten liegen, wurde durch die Volkszählung erneut bestätigt. Auf 1000 Männer kommen heute 1149 Frauen. Der Grund für dieses Missverhältnis ist die hohe Sterblichkeit der Männer im arbeitsfähigen Alter.

Anders ausgedrückt: Russland wird nicht von außen bedroht, sondern von innen - durch den Griff zur Wodkaflasche. Die nachfolgenden Gesundheitsschäden wie Schädelbrüche, Herz- und Magenleiden raffen Hunderttausende Männer dahin. Heute leben in dem großen Land zehn Millionen weniger Männer (67,6 Millionen) als Frauen (77,6 Millionen); die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer liegt bei 58, die der Frauen bei 72 Jahren.

Hauptgründe für den Bevölkerungsschwund sind neben der hohen Sterblichkeitsrate bei den Männern eine gesunkene Geburtenrate und die Emigration der "Russländer" (Russen, Deutsche, Juden) in westliche Länder.

Einen Rückgang der Geburtenrate gibt es in Russland seit den 70er Jahren. Bis zum Beginn der 90er Jahre wurden die Todesfälle jedoch noch durch die Geburten ausgeglichen. 1992 gab es dann einen scharfen Knick in der Geburtenrate. Heute ist die Ein-Kind-Familie Trend. Um die Bevölkerungszahl stabil zu halten, müsste jede russische Frau zwei bis drei Kinder bekommen. Doch das sei nicht real, meinen Experten.

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