Muskelspiele am Tigris-Ufer

Ankara will keine Flüge mehr in den Nordirak zulassen und veranstaltet Militärmanöver an der Grenze.

ISTANBUL. Der Konflikt zwischen der Türkei und Iraks Kurden spitzt sich zu. Ankara droht nun mit einem Wirtschaftsembargo, falls nicht innerhalb von zwei Wochen etwas gegen die vom Nordirak aus operierenden PKK-Rebellen unternommen werde. Nach jahrelangem Hin und Her, erst mit den USA, zuletzt auch mit den Irakern, scheint in Ankara der Geduldsfaden endgültig gerissen zu sein.

Auf einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates der Türkei wurde am Dienstag beschlossen, Flügen zum irakisch-kurdischen Flughafen Erbil keine Überfluggenehmigung mehr zu erteilen, falls innerhalb von 14 Tagen keine Verbesserung eintritt. In Erbil landen auch die Maschinen der Austrian Airlines, eine der wenigen ausländischen Linien, die die Hauptstadt der Kurdenregion anfliegt.

Türkische Spezialkräfte im Irak?

Als weitere Maßnahme drohte Ankara an, den Grenzübergang in den Nordirak am Habur zu schließen. Dies würde vor allem die Kurden, aber auch weitere Teile des Irak treffen. Aber auch die Türkei würde den mittlerweile lukrativen Handel mit dem Nachbarland verlieren. Das wäre zwar für die gesamte türkische Wirtschaft zu verkraften, nicht aber für die hauptsächlich von Kurden bewohnten Provinzen im Südosten des Landes. Sollten alle diplomatischen und wirtschaftlichen Maßnahmen nichts fruchten, will die Türkei bei der UNO und den USA auf ihr Recht auf Selbstverteidigung pochen und dann die Armee über die Grenze schicken. Am Mittwochmorgen veranstaltete die türkische Armee schon einmal demonstrativ mit einigen Panzern ein Probeschießen am Tigris-Ufer, nicht weit von Iraks Grenze entfernt.

Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete am Mittwoch sogar, dass türkische Spezialeinheiten 40 Kilometer tief auf irakisches Staatsgebiet eingedrungen seien, um PKK-Stellungen anzugreifen. Laut Beobachtern haben türkische Spezialkräfte aber schon in den vergangenen Monaten immer wieder in kleinerem Ausmaß im Nordirak operiert, vermutlich sogar mit der Einwilligung irakischer und kurdischer Stellen.

Die linke türkisch-kurdische Guerillaorganisation PKK unterhält im kurdischen Nordirak rund um den Berg Qandil ein System von Stützpunkten. Zudem gibt es in der Nähe von Mosul ein Lager mit kurdischen Flüchtlingen aus der Türkei, in dem die PKK über Einfluss verfügt und dessen Auflösung Ankara seit Jahren fordert. Vor wenigen Tagen hat nun die PKK eine Art Frühjahrsoffensive begonnen. Mehrere türkische Soldaten wurden getötet.

Iraks Premier Nouri al-Maliki versuchte am Mittwoch die Wogen zu glätten: Der Irak wolle gute Beziehungen zu allen Nachbarstaaten, sagte al-Maliki. Man werde sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Nachbarn einmischen, jedoch auch nicht deren Einmischung in irakische Belange akzeptieren. Beim Streit zwischen Ankara und Iraks Kurden geht es nämlich nicht nur um die PKK. Auslöser war ein Interview des Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Irak, Massud Barzani. Dieser hatte erklärt, wenn sich die Türkei im Streit um die nordirakische Erdölstadt Kirkuk einmische, könnte auch er sich in der von Kurden bewohnten türkischen Stadt Diyarbakir einmischen.

Pulverfass Kirkuk

Im Sommer wollen die Kurden eine Volkszählung in Kirkuk durchführen und am Jahresende ein Referendum darüber abhalten, ob die Stadt Teil der Kurdenregion werden soll. Saddam Hussein hatte massiv die Arabisierung Kirkuks betrieben. Die Kurden wollen dies nun rückgängig machen.

Die Türkei ist gegen eine Eingliederung Kirkuks in die Kurdenregion und kämpft für eine Verschiebung des Referendums. Bisher stieß Ankara aber in Washington auf taube Ohren. Wegen der PKK und Barzanis leichtsinniger Rhetorik übten die USA nun Kritik am Kurden-Präsidenten. Dies heißt aber nicht, dass die Türkei freie Hand hat. Schließlich sind die Kurden die einzigen verlässlichen Verbündeten der USA im Irak.

Inline Flex[Faktbox] LEXIKON("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2007)

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