Kampf um Kosovo: Belgrad buhlt um ferne Freunde

Serbien startet diplomatische Offensive, um eine Unabhängigkeit der Albaner-Provinz zu verhindern.

BELGRAD.Serbiens Regierung spielt im Streit um den künftigen Status des Kosovo auf Zeit. Um die sich abzeichnende Unabhängigkeit der Albaner-Provinz doch noch zu verhindern, verstärkt Belgrad seine diplomatischen Anstrengungen und buhlt dabei um die Unterstützung eher ferner Freunde: So geben sich derzeit in Belgrad Chinas Vizepremier Hui Liangyu und der russische Außenminister Sergej Lawrow die Klinken in die Hand. Aber auch Politiker aus der Nachbarschaft wurden empfangen: Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik traf am Mittwoch mit den Spitzen Serbiens zusammen.

Ob Serbiens Präsident, Premier oder Außenminister – die gebetsmühlenhaft wiederholte Botschaft, die Belgrads Würdenträger ihren Gästen in Sachen Kosovo verkünden, ist stets dieselbe: Eine Unabhängigkeit der seit 1999 von der UN verwalteten Provinz sei unannehmbar, allenfalls eine Autonomie vorstellbar. Neue Verhandlungen seien nötig, da eine Lösung nur mit der Zustimmung beider Seiten möglich sei.

Rückzieher der USA

Plassnik erteilte Serbiens Wunsch nach neuen Kosovo-Gesprächen jedoch eine Abfuhr: Zeit für Verhandlungen habe es „genug gegeben“. Es gehe nicht an, die Realitätsverweigerer zu unterstützen. Am Zug sei nun der UN-Sicherheitsrat. Plassnik bekräftigte „die volle Unterstützung“ für den von UN-Vermittler Martti Ahtisaari ausgearbeiteten Plan einer internationalen überwachten Unabhängigkeit für Kosovo. Zugleich plädierte die Ministerin erneut für mehr Verständnis der EU für Serbien und für schrittweise Erleichterungen bei der Vergabe von EU-Visa an serbische Bürger.

Mit dem Wunsch nach einem neuen Lösungsansatz für Kosovo stößt Serbien zumindest in Moskau auf offene Ohren. Auf Drängen Russlands will der UN-Sicherheitsrat bis zum Ende des Monats noch einmal eine Mission nach Kosovo und Belgrad entsenden. „Keine Lösung ohne Belgrad“, so die von Moskau ausgegebene Parole. Doch ob Russland tatsächlich ein Veto gegen Ahtisaaris Plan einlegen wird, muss sich noch weisen. Unermüdlich mühen sich sich Serbiens Diplomaten deshalb, auch nichtständige Sicherheitsrat-Mitglieder wie Ghana, Indonesien oder Kongo von den Risiken des „Präzedenzfalls“ eines unabhängigen Kosovo zu überzeugen.

Mitten in diese diplomatischen Bemühungen Serbiens hatte die Meldung über einen neuen US-Vorstoß wie eine Bombe eingeschlagen. US-Außenstaatssekretär Nicholas Burns war mit den Worten zitiert worden, Washington werde „auf jeden Fall“ einen unabhängigen Kosovo anerkennen – auch ohne entsprechende Resolution des Sicherheitsrats. Am Mittwoch meinte Burns, falsch zitiert worden zu sein.

Auch wenn die sozialliberalen Demokraten (DS) von Serbiens Präsidenten Boris Tadi den kompromisslosen Kosovo-Kurs von Premier Vojislav Kotunica offiziell lautstark mittragen, wird in ihren Reihen auch leise Sorge über eine zu enge Annäherung an Russland und die Abkehr vom Westen laut. Serbiens EU-Beitritt sei für die Partei nach wie vor das wichtigste Ziel, pflegen DS-Funktionäre im privaten Gespräch zu versichern: Kosovo habe untergeordnete Priorität.
Leitartikel auf Seite 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2007)

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