Rumänien: Parlament suspendiert Staatschef

Abgeordnete stimmten für Absetzungs-verfahren gegen Präsident Bsescu.

BUKAREST. Er ist einer von Rumäniens populärsten Politikern und auf den Mund gefallen ist der frühere Seemann keineswegs: Er sei nicht vom Parlament, sondern vom Volk gewählt worden, schimpfte „Popeye“, wie die Rumänen ihren Staatspräsidenten Traian Bsescu liebevoll nennen. Deshalb werde er sich nur vor den Wählern verantworten. Mit diesen Worten hatte der drahtige 55-Jährige den Abgeordneten des rumänischen Parlaments noch einmal kräftig die Leviten gelesen, bevor diese am Donnerstag für seine Suspendierung stimmten.

322 Abgeordnete waren für die Einleitung eines Absetzungsverfahren gegen den Bsescu, 108 waren dagegen. Gemäß Verfassung müssen die Rumänen nun in 30 Tagen in einem Referendum darüber abstimmen, ob der Präsident tatsächlich sein Amt verliert. Bsescu hatte angekündigt im Falle eines negativen Parlamentsvotums sofort zurückzutreten, um bei vorgezogenen Präsidentenwahlen erneut zu kandidieren.

An dem polarisierenden Volkstribun scheiden sich die Geister. Als volksnah, schlagfertig und standfest preisen ihn seine Anhänger. Als ruppig, rücksichtslos und streitsüchtig kritisieren ihn seine Gegner. Der Ex-Präsident habe das höchste Amt des Landes „kompromittiert und ins Lächerliche gezogen“, meint etwa die deutschsprachige Bukarester Zeitung ADZ. Bsescu habe von jedem seiner Vorgänger etwas: „Ein bisschen Despotismus, viel Skandal, haufenweise Volksnähe, konsequent vorgemachte Standhaftigkeit gegen das ,faule System‘ – und null Sinn für sein Amt.“

Bsescu war die treibende Kraft hinter der Bündelung der bürgerlichen Kräfte vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen 2004. Die von seiner Demokratischen Partei und den Nationalliberalen (PNL) geschaffene Allianz zahlte sich aus: Der Ex-Kapitän rutschte auf den Präsidenten-, PNL-Chef Clin Popescu Triceanu auf den Premier-Sessel. Doch kaum im Amt sollten sich die einstigen Bundesgenossen heillos überwerfen.

Öffentliche Beschimpfungen

In dem nach Rumäniens EU-Beitritt eskalierenden „Krieg der Paläste“ überhäuften die einstigen Duzfreunde einander mit öffentlichen Schmähungen. Ende März kündigte der Premier der DP das Regierungsbündnis auf: Von den Sozialdemokraten toleriert führen die Nationalliberalen seitdem gemeinsam mit der Partei der ungarischen Minderheit ein Minderheitskabinett. Nun war auch der Weg für das von der Opposition lange geforderte Amtsenthebungsverfahren gegen Bsescu frei: Eine Mehrheit der Abgeordneten wirft ihm Überschreitung seiner Kompetenzen, Verunglimpfung und das Abhören von Amtsträgern sowie Versagen vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2007)

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