Belgien-Wahl: Regierung Verhofstadt verliert Mehrheit

(c) AP (Yves Logghe)
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Die christdemokratische Partei CDV gewinnt, die liberale Partei von Regierungschef Verhofstadt schafft knapp ein Mandat mehr als der rechtsextreme Vlaams Belang.

Die christdemokratische Partei CDV hat die Parlamentswahl in Belgien gewonnen. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis erhielt die Partei des Ministerpräsidenten von Flandern, Yves Leterme, 30 der 150 Sitze und damit acht mehr als bei der Wahl vor vier Jahren, wie Belgiens Innenminister in der Nacht auf Montag mitteilte. Die liberale Partei von Regierungschef Guy Verhofstadt verlor demnach sieben Mandate und kam auf 18 Abgeordnete. Sie liegt knapp vor der rechtsextremen Vlaams Belang mit 17 Sitzen. Den größten Verlust musste dem vorläufigen Ergebnis zufolge die sozialistische SPA in Flandern hinnehmen, die der scheidenden Regierung angehört. Sie verlor neun und kam damit nur noch auf 14 Mandate.

Im frankophonen Wallonien schnitten die liberale Reformbewegung (MR) mit 22 Sitzen und die Sozialisten (PS) mit 21 Sitzen trotz Verlusten am besten ab. Die Umweltpartei ist im künftigen Parlament mit acht Sitzen doppelt so stark vertreten wie bisher.

Ein gespaltenes Land

Die wirtschaftliche, sprachliche und politische Gespaltenheit Belgiens hat mit der Wahl einen weiteren Höhepunkt erreicht. Nach den herben Verlusten der liberal-sozialistischen Regierungskoalition wird der derzeitige Ministerpräsident von Flandern, Yves Leterme, aller Voraussicht nach mit der Regierungsbildung beauftragt. Als Premier müsste er wohl moderatere Töne anschlagen als noch vor einem Jahr, als er seinen frankophonen Landsleuten in einem Interview mit einer französischen Zeitung vorwarf, diese seien "intellektuell nicht im Stande", das in Flandern gesprochene Niederländisch zu lernen.

Zwar kommen schon seit 33 Jahren alle Regierungschefs des Landes aus dem bevölkerungsreichsten flämischen Norden des Lands. Leterme will jedoch entschlossener als seine Vorgänger die Autonomie der Regionen in Zukunft stärken. Dies ist vor allem den Frankophonen im Süden, der viel ärmeren Region Wallonien, ein Dorn im Auge. Denn bisher profitieren sie von einem starken Zentralstaat und den damit verbundenen Finanzausgleich aus dem wirtschaftlich besser entwickelten Flandern.

Am Sonntagabend gab sich der Wahlsieger zwar betont zurückhaltend. Im beginnenden Wahlkampf hatte er noch betont, dass "Belgien kein Wert an sich" sei und "der König, das Fußballteam und einige Biere" die einzigen Gemeinsamkeiten des Landes seien.

Vlaams Belang zweitstärkste Kraft im Land

Verstärkt werden die separatistischen Tendenzen durch eine Reihe von Faktoren. Zu Letermes konservativem Wahlbündnis gehört neben den Christdemokraten auch die separatistische flämischen Splitterpartei N-VA. Der rechtsextreme Vlaams Belang, ehemals Vlaams Blok, dürfte nun auch bei landesweiten Wahlen zur zweitstärksten Kraft in Flandern aufgestiegen sein. Auf Anhieb fünf Sitze im Parlament hat laut Hochrechnungen der ehemalige Judo-Vizeweltmeister Jean-Marie Dedecker mit seiner neuen Liste geschafft. Auch Dedeckers Liste hat - anders als Liberale, Sozialisten, Christdemokraten und Grüne - keine "Schwesterpartei" im französischsprachigen Teil des Landes.

Während die Sozialisten in Flandern von 24 auf 17 Prozent abstürzten, bleiben sie in Wallonien mit etwa 30 Prozent stärkste Kraft. Nach zahlreichen Korruptionsskandalen erlitten auch die frankophonen Sozialisten Verluste von mehr als fünf Prozent. Der Traum ihres Anführers Elio di Rupo, entgegen aller Prognosen als Wallone wieder den belgischen Ministerpräsidenten zu stellen, scheint damit wohl verflogen.

Zähe Regierungsbildung erwartet

Dem Land stehen nach Ansicht von Beobachtern zähe Regierungsverhandlungen bevor. Zwar dürfte sich eine Mehrheit für Konservative und Liberale aus beiden Landesteilen ausgehen. Wenn Leterme aber eine grundlegende Verfassungsreform durchziehen will, braucht er dazu aber eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus. Dies würde eine Koalition der beiden Blöcke mit den Sozialisten oder den Grünen erfordern.

Die Belgier scheinen dem Urnengang trotz der wachsenden Spannungen nicht viel Interesse abgewinnen zu können. In einer am Wahltag veröffentlichten Umfrage der Zeitung "Het laatste Nieuws" gaben 44 Prozent an, dass sie lieber nicht der allgemeinen Wahlpflicht nachkommen würden, wenn es ihnen freigestellt wäre. (APA/Red.)

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