Österreich ein russisches Agentennest?

APA (Barbara Gindl)
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Die russische Botschaft protestiert gegen die Verhaftung von Wladimir V. Österreichs Verfassungsschützer sind schon länger russischen Spionen auf der Spur.

WIEN. „Frei von Problemen“ seien die Beziehungen zu Österreich, hatte Russlands Präsident Wladimir Putin noch unlängst bei seinem Besuch in Wien geschwärmt. Doch nun gibt es ein Problem – und das heißt Wladimir V.

Putins Namensvetter soll – so vermutet Österreichs Justiz – denselben Job haben wie einst der heutige Präsident: Geheimagent.

V. sitzt seit einigen Tagen wegen Spionageverdachts in Salzburg in Untersuchungshaft, und Russland erhöht deshalb nun den Druck auf Österreich. „Wir haben eine Protestnote an das österreichische Außenministerium geschickt“, berichtete am Donnerstag ein Sprecher der russischen Botschaft in Wien der „Presse“. Darin werde gegen die Verhaftung des russischen Staatsbürgers protestiert und darauf hingewiesen, dass dieser ein Mitglied der russischen Delegation bei der UN-Weltraumkonferenz sei, die seit der Vorwoche in Wien stattfindet.

Das österreichische Außenamt will von einem „Protest“ nichts wissen. Man sei von der russischen Botschaft lediglich gebeten worden, dem Vorfall nachzugehen. Nun müsse man gemeinsam mit der UNO prüfen, ob dem verhafteten Russen diplomatische Immunität zustehe.

Immunität – oder nicht?

Für die Staatsanwaltschaft Wien scheint diese Frage aber bereits geklärt: „Unseres Wissens nach genießt der festgenommene Russe keine diplomatische Immunität. Das haben wir schon vor der Verhaftung überprüft“, meint dazu der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, auf Anfrage der „Presse“. V. war am Montag in Salzburg festgenommen worden.

Laut russischen Nachrichtenagenturen ist der Verhaftete ein Mitarbeiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos. Von 1994 bis 1999 war V. ein technisch-administrativer Mitarbeiter der russischen Botschaft in Wien.

Gleichzeitig mit V. hatten die österreichischen Behörden am Montag auch einen Vizeleutnant des Bundesheeres verhaftet, der am Fliegerhorst in Hörsching als Flugzeugtechniker gearbeitet hatte. Gegen ihn besteht der Verdacht, militärische Informationen aus Hörsching an V. weitergegeben zu haben. Laut Bundesheer ist der Vizeleutnant schon „seit längerem“ observiert worden.

Auch deutscher Haftbefehl

„Es besteht der Verdacht, dass der Bundesheerangehörige technische Unterlagen weitergegeben hat“, so Jarosch. Gegen den Soldaten und den russischen Staatsbürger liefen deshalb Voruntersuchungen wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen. Am Donnerstag sollte entschieden werden, ob auch über den Vizeleutnant die U-Haft verhängt wird. Jarosch bestätigte zudem, dass der Russe V. auch von den deutschen Behörden per Haftbefehl gesucht werde.

Dass Wien einen Tummelplatz für russische Spione darstellt, ist amtlich bestätigt. In den Verfassungsschutzberichten des Innenministeriums seit 2000 wurde teilweise offen über die russischen Spionageaktivitäten berichtet: „Der russische Auslandsaufklärungsdienst (SWR) unterhält in Österreich eine seiner weltweit größten Legalresidenturen; dies unterstreicht die besondere Bedeutung Wiens für die russische Spionagetätigkeit in Europa“, heißt es etwa im Verfassungsschutzbericht 2001. Und: „Seit der Präsidentschaft Putins ist eine Intensivierung der russischen Spionageaktivitäten festzustellen.“

In westlichen Diplomatenkreisen wird dazu kolportiert: In Berlin würden aufgrund der im Nato-Staat Deutschland geltenden strengen Spionageabwehr-Bestimmungen von Moskau anvisierte deutschsprachige Diplomaten regelmäßig abgelehnt, weil deren nachrichtendienstlicher Hintergrund zu offensichtlich sei. Später tauchten diese Leute dann an den diplomatischen Vertretungen Russlands in Wien oder Bern auf. Aber manche der Spione treiben es dann doch zu weit: Im April 2001 musste ein stellvertretender russischer Handelsattaché Wien vorzeitig verlassen. Er war als Offizier der russischen Militäraufklärung (GRU) enttarnt worden.

Im Verfassungsschutzbericht 2004 wurde beschrieben, was die Russen in Österreich alles auszuspähen versuchen: medizinische Technik, die pharmazeutische Industrie, Spezialsoftware, Funksysteme, Spezialmunition, Containerkameras, Nachtsichtkomponenten, Stahlerzeugnisse, Wasseraufbereitung, Chemie und Umwelttechnologie. Im Bericht heißt es zudem, dass russische Spione gegen Bezahlung auch „Beschaffungsaufträge der privaten Wirtschaft in Russland“ entgegennehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2007)

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