Analyse: Freundschaft ist Silber, Interessen sind Gold

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Mit Frankreichs neuem Präsidenten weht auch außenpolitisch ein anderer Wind im Elysée-Palast.

Nach außen hin schien sich nichts verändert zu haben: In der guten Tradition seiner Vorgänger unternahm Frankreichs neuer Präsident Nicolas Sarkozy kürzlich seine erste Reise in außereuropäische Gefilde: nach Nordafrika, in den Maghreb.

Bei genauerem Hinsehen wurde rasch deutlich, dass der Tonfall in den Beziehungen zu der traditionellen Pariser Einflusszone mit dem neuen Hausherrn im Elysée rauer geworden ist. Als Wortführer einer extrem restriktiven Zuwanderungspolitik, der die Migranten-Jugend aus den Vorstädten schon mal als „Gesindel“ titulierte, hat sich Sarkozy im Maghreb und in Afrika insgesamt schon vor Amtsantritt keine Freunde gemacht.

Aus sei es nun mit der „selbstherrlichen“ Außenpolitik der Vorgänger, verkündete er vollmundig. Sollte wohl heißen: Schluss mit dem Geflecht an zweifelhaften Busenfreundschaften und der Rolle als Schirmherr zwielichtiger Potentaten, die es mit Demokratie und Menschenrechten nicht so genau nehmen. Stattdessen kündigte er eine pragmatische, selbstbewusste Politik an.

Selbstbewusst fiel nun auch das Verhalten Marokkos aus. Im Grunde war es ein diplomatischer Affront: „Sarko“ möge doch bitte ein andermal kommen, wenn er sich etwas mehr Zeit nehme, lautete sinngemäß die Botschaft. Er hatte für Algerien, Tunesien und Marokko zusammen zwei Tage reserviert.

Den Erzrivalen bevorzugt

Verschnupft war man in Rabat aber aus einem ganz anderen Grund: Unter Jacques Chirac galt Marokko als engster Partner in der Region, der König wusste den Alt-Präsidenten im Westsahara-Konflikt hinter sich (Marokko besetzt seit Mitte der 70-er die ehemalige spanische Kolonie). Dass der „Hyperpräsident“ seine erste Tour ausgerechnet bei Rabats Erzrivalen Algerien begann, das die nach Unabhängigkeit strebenden Saharauis unterstützt, schmerzte sehr.

Derlei Empfindlichkeiten stören Sarkozy wenig, für ihn zählen handfeste Interessen. Und Algerien hat etwas zu bieten: Öl und Gas. Sarkozy will die staatliche algerische Sonatrach eng an die französischen Konzerne Gas de France, Suez und Total binden. Zudem will Paris die „militärische Kooperation“ vertiefen. Sprich: Algier mehr Waffen verkaufen.

Gute Gründe, die Beziehungen zur Ex-Kolonie zu vertiefen. Doch auch hier gibt es Misstöne: Man hat Sarkozy nicht vergessen, dass er als Innenminister die Visa-Vergabe an Algerier – nicht aber an Tunesier und Marokkaner – erschwerte. „Falls es einmal eine ,spezielle Partnerschaft‘ gibt, muss sich das in einer humanitären Dimension ausdrücken“, zitierte „Le Monde“ einen Vertrauten des algerischen Präsidenten Bouteflika. Dies sei „fast wichtiger“ als Themen wie die Energie-Kooperation. Zur humanitären Dimension zählen auch jene etwa 350.000 Algerier, die illegal in Frankreich leben.

Auch der noch von Chirac protegierte „Freundschaftsvertrag“ liegt auf Eis. Der Grund ist ein – mittlerweile wieder gestrichener – Gesetzesartikel, in dem das Pariser Parlament 2005 von der „positiven Rolle“ der französischen Kolonialzeit sprach. In Algerien sieht man das anders und erinnert sich eher an die 1,5 Millionen Toten des Unabhängigkeitskrieges. Entschuldigung für die dunklen Seiten der französischen Herrschaft? Für Sarkozy kein Thema. Man solle sich lieber auf die Zukunft konzentrieren, erteilte er Algiers Wünschen eine Abfuhr.

Immerhin hat Sarkozy mit Bernard Kouchner einen „Mann fürs Humanitäre“ als Außenminister installiert, um den moralischen Anspruch zu unterstreichen, mit dem er seinen Wahlkampf zierte. Ob das mehr ist als ein Signal muss sich erst noch zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2007)

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