Afghanistan: Südkorea bangt um entführte Missionare

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Die afghanischen Taliban drohen mit der Ermordung von 23 verschleppten Südkoreanern.

TOKIO. Südkoreas Regierung versucht verzweifelt, die 23 in Afghanistan entführten Geiseln einer christlichen Mission, darunter 18 Frauen, durch Verhandlungen frei zu bekommen. Seoul setzt darauf, dass die Regierung in Kabul über kurz oder lang die Forderung der Entführer erfüllt und 23 gefangene Taliban-Kämpfer freilässt.

Südkoreas Vizeaußenminister Cho Jung Pyo verhandelt dem Vernehmen nach bereits sowohl mit den Kidnappern als auch mit den afghanischen Behörden. Es gebe Kontakte mit den Geiselnehmern „durch verschiedene direkte und indirekte Kontakte“, bestätigte ein Sprecher des Seouler Außenamtes.

Kerzen und Mahnwachen

Die Gespräche geben nach südkoreanischer Darstellung Anlass zur Hoffnung, dass das am Sonntag um 24 Stunden verlängerte Ultimatum erneut ausgedehnt wird.

Die radikal-islamischen Taliban haben gedroht, um 11.30 Uhr Ortszeit (16.30 MESZ) mit der Erschießung von Geiseln zu beginnen, wenn bis dahin ihre Bedingungen nicht erfüllt werden. Die Entführer verlangen außer dem Gefangenenaustausch auch den Abzug der rund 200 südkoreanischen Militärangehörigen, die seit 2002 in Afghanistan als Militärtechniker und Mediziner bei der Internationalen Schutztruppe ISAF stationiert sind.

Es ist aber ohnehin vorgesehen, dieses Kontingent bis Jahresende nach Hause zu holen. Daran werde sich nichts ändern, erklärte ein Sprecher des Außenamtes. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wird bereits an den Plänen für den Rückzug gearbeitet.

Bei den Angehörigen der Entführten herrscht Trauer, aber keine Panik. Man hofft und betet inständig auf eine sichere Rückkehr der Geiseln: „Ich habe im Leben keine anderen Wünsche mehr, wenn dieser erfüllt wird und meine beiden Töchter gesund nach Hause kommen“, sagte unter Tränen Seo Jung Bae im südkoreanischen Fernsehen. Im ganzen Land werden Kerzen angezündet und Mahnwachen abgehalten.

Nur vereinzelt wird Kritik an der Regierung laut. „Koreas militärische Präsenz in Afghanistan dient nicht dem Frieden, sondern schürt den Krieg“, erklärte etwa der Abgeordnete Kwon Young Ghil von der Fortschrittlichen Demokratischen Arbeiterpartei.

Kritik an Missionierung

Die meisten Südkoreaner geben den Gekidnappten eine erhebliche Teilschuld. Nicht erst seit der Entführung der 23 Mitglieder einer christlichen Kirche wird über den Sinn von Missionen in Afghanistan diskutiert. Obwohl sich mehr als 30 Prozent der Südkoreaner zum Christentum bekennen, verstärken sich die Vorwürfe an die Entsendergemeinde der Entführten, die protestantische Saemmul Community aus der Stadt Bundang.

Unter diesem öffentlichen Druck hat sich die 2004 gegründete „Korean Foundation for World Aid“ bereits entschlossen, alle Mitglieder aus Afghanistan zurückzurufen. „Wir bedauern, tiefe Besorgnis bei unseren Landsleuten ausgelöst zu haben“, erklärte deren Führer Park Eun Jo.

Seoul will künftig unautorisierte Reisen nach Afghanistan mit Freiheits- und Geldstrafen ahnden. Die afghanischen Behörden wurden gebeten, keine Visa für Südkoreaner mehr auszustellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2007)

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