Deutschland: „Ein Gott zum Anfassen“

(c) AP (Fabian Bimmer)
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Bei den Deutschen ist der Dalai Lama beliebter als der Papst und wird trotz seiner China-Kritik von der Politik hofiert.

BERLIN.Ole von Beust blieb unbeugsam trotz der geharnischten Proteste aus Peking und der unverhüllten Drohungen, die die Handelsbeziehungen mit China ins Spiel brachten. Hamburgs Bürgermeister ließ für den schmächtigen Mann im traditionellen orange-roten Umhang den roten Teppich ausrollen. Wie ein Staatsgast trug sich der 72-Jährige ins goldene Buch der Hansestadt ein, zum Dank überreichte er dem CDU-Politiker den obligaten weißen Schal.

In einem Land, dessen Bürger ihm so wohl gesonnen sind wie kaum sonst wo, hatte der Dalai Lama einen neuen Freund gewonnen. Nur zu gerne wäre auch sein treuester politischer Fürsprecher aus dem Gastland dabei gewesen beim Empfang anlässlich des zehntägigen Besuchs des tibetischen Gottkönigs. Wie kein anderer deutscher Politiker setzt sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), weithin als konservativer Falke verschrien, für die Sache Tibets und seines politisch-spirituellen Führers ein.

„Fast heimisch“ in Deutschland

Doch Koch hatte sich zur gleichen Zeit in die umgekehrte Richtung aufgemacht – nach Peking und Lhasa. Der Dalai Lama aber wähnt sich in Deutschland bereits „fast heimisch“. Er stößt in den Weiten des spirituellen Vakuums auf viel Gegenliebe.

Laut einer jüngsten Umfrage übt das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus eine größere Faszination aus als der prominenteste Sohn des Landes, Papst Benedikt XVI. Seine heitere Gelassenheit, die innere Ruhe und die vordergründige Beliebigkeit, in die sich alles projizieren lässt, treffen den Nerv der Sinnsucher mehr als die oft dogmatische Strenge des katholischen Kirchenfürsten aus Bayern. „Ich bin für Sie, was Sie wollen, das ich für Sie bin“ ist ein Credo, das den religiösen Selbstbastlern entgegenkommt, die sich nicht auf die Untiefen der buddhistischen Lehre einlassen.

Humorvolle Instant-Philosophie

In puncto Friedfertigkeit hat der Buddhismus dem Christentum den Rang ohnedies abgelaufen. Zehntausende Gläubige, Anhänger oder auch nur Interessierte, pilgern dieser Tage zur Tennisarena am Hamburger Rothenbaum, wo der „Gott zum Anfassen“ seine Lektionen erteilt. Über dem Areal liegt das Flair einer fernöstlich-exotischen Esoterik, und es wehen die bunten Gebetsfahnen.

Hier unterweist der Dalai Lama im Lotussitz seine Jünger aller Altersgruppen. Auf Fragen aus dem Publikum gibt er mal kichernd und glucksend wie ein Teenager, mal dröhnend lachend Kostproben seiner Allerweltsweisheiten, einer von Humor durchtränkten Instant-Philosophie. Natürlich könne auch eine Frau zum Dalai Lama erwählt werden, sagt er – „aber sie sollte hübsch sein“.

Der Dalai Lama meditiert über das Glück und die Erleuchtung, dämpft zugleich die Erwartungen: „Ich habe keine Zauberkraft.“ Dazu gehören mitunter auch unbequeme Wahrheiten – etwa die, dass man seinen Glauben nicht wechseln könne wie einen Anzug.

Unvermittelt ist er in einen ernsten Ton gewechselt, spricht über die Armut in der Welt und die Menschenrechte in China: „Die tibetische Kultur wird mehr und mehr von den Chinesen unterwandert.“ Plötzlich ist aus dem Gottkönig der politische Führer geschlüpft, den viele Staatsmänner meiden und der der Pekinger Führung Angst einjagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2007)

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