„Scharfmacher aus dem Westen“

Bosnien. Kleriker aus Sarajewo warnt vor Infiltration des Landes durch islamische Extremisten: „Missionare“ auch aus Wien?

SARAJEWO. Es war vor allem Dragomir Andan, der jetzt wegen seiner Verwicklung in das Massaker von Srebrenica abgesetzte Polizeiminister des serbischen Teilstaates in Bosnien und Herzegowina, der in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Infiltration der bosnischen Muslime durch al-Qaida oder andere islamistische Organisationen hingewiesen hat. Die politische Absicht des serbischen Nationalisten war klar: Die bosnischen Muslime sollten insgesamt mit islamischen Terroristen in Verbindung gebracht werden. Und so sollte der Völkermord an bosnischen Muslimen während des Krieges von serbischer Seite im Nachhinein gerechtfertigt werden.

Zellen in Wien

Viele Informationen über diese angebliche Verbindung sind also mit Vorsicht zu genießen. Es ist für bosnische Muslime schwer, immer wieder dem Generalverdacht entgegenzutreten, in den islamischen Terrorismus verwickelt zu sein. Mustafa Ceric, der Reisu-l-Ulema, höchste religiöse Autorität des bosnischen Islam, muss in fast allen Interviews auf diesen Vorwurf eingehen. Immer wieder weist er daraufhin, dass der Islam in Bosnien ein europäischer Islam sei, der die Gewaltenteilung des demokratischen Staates anerkenne und von seiner Theologie her mit islamistischen Strömungen unvereinbar sei. Ebenso regelmäßig warnt er vor dem Aufbau islamistisch-terroristischer Zellen in westlichen Ländern. Auch in Wien, so einer seiner Sprecher im Februar, gebe es solche Zellen, die sogar auf Bosnien Einfluss nehmen wollten. Unter den Islamisten befänden sich auch Bosniaken.

Tatsache ist aber auch, dass während des Krieges 1992 bis 1995 ungefähr 1000 Kämpfer aus islamischen Ländern nach Bosnien eingesickert sind, viele von ihnen waren schon in Afghanistan aktiv, andere waren in ihren Heimatländern verfolgte religiöse Extremisten. Es kam schon zu dieser Zeit zu einem „Clash der Kulturen“, denn die Islamisten konnten nicht begreifen, dass Bosnierinnen unverschleiert sind, einem Beruf nachgehen, dass sich in Bosnien Liebespaare öffentlich küssen können.

Nach dem Krieg, Anfang 1996, mussten die meisten der Mujahedin auf Betreiben der Nato das Land wieder verlassen, nur jene rund 60 Kämpfer durften bleiben, die eine bosnische Frau geheiratet und eine Familie gegründet hatten. Nach dem Krieg wurden allerdings auch islamische Hilfsorganisationen in Bosnien aktiv.

Vor allem Saudis bauten fast 100 Moscheen mit Gemeindezentren, in denen auch Sozialarbeiter aktiv sind, die sich um die Jugendlichen bemühen, gegen Drogen kämpfen, aber auch Jugendliche religiös beeinflussen wollten. Sie versuchten Jugendliche, für den Wahhabismus, die Staatsreligion in Saudiarabien, zu gewinnen. Auch Osama bin Laden ist Saudi und Wahhabit. Erst nach den Anschlägen am 11. September 2001 in New York und Washington nahmen westliche Geheimdienste diese Leute genauer unter die Lupe. Einige der Büros wurden geschlossen. Und die Saudis tauschten unter US-Druck viele der „Missionare“ aus und ließen Geldquellen versiegen.

„Kulturkampf“ in Bosnien

Insgesamt blieben jedoch Mustafa Ceric und die islamische Gemeinschaft lange Zeit indifferent gegenüber den Aktivitäten der rund 500 ausländischen Islamisten. Man hatte nicht vergessen, dass während des Krieges die islamischen Länder Bosnien geholfen hatten. Erst als die Islamisten begannen, Moscheen der Bosnier zu besetzen, den Reisu-l-Ulema zu beleidigen, in manchen Dörfern Terror zu verbreiten, schlug die Stimmung um. Unter anderem wurden Gläubige daran gehindert, am Freitagsgebet in ihrer Moschee teilzunehmen.

Ceric sprach schon 2005 davon, dass derartige Umtriebe nicht allein aufs Konto von Saudis gingen. Die Scharfmacher, so Ceric, stammten zunehmend aus dem Westen, so auch aus dem König Fahd Zentrum bei Köln.

MUSLIMISCHER FÜHRER WARNT

Mustafa Ceric, oberste islamische Autorität in Bosnien-Herzegowina,warnt vor terroristischen Zellen mit islamischem Hintergrund, die sich im Westen festsetzen. Auch Wiensei davon betroffen. Aktivisten versuchten auch von hier aus, Aktionen in Bosnien zu starten, so Ceric.

Der Einfluss von islamistischen Hardlinern ist nach dem Bosnien-krieg sprunghaft gewachsen – vor allem Prediger aus dem wahhabitischen Saudiarabienwaren aktiv, die unter dem Druck der Nato-Truppen ihre Aktivitäten allerdings kräftig zurückschrauben mussten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2007)

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