Japan: Schwere Schlappe für Premier Abe

AP (Kurokawa)
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Die Regierungspartei LDP unter Ministerpräsident Abe verliert die Mehrheit im Oberhaus des Parlaments. Der Spross einer einflussreichen Politik-Dynastie halbierte seine Popularitätsrate.

Tokio. Die Regierungskoalition unter Premierminister Shinzo Abe ist am Sonntag bei den Teilwahlen zum japanischen Oberhaus in ein schweres Tief gestürzt. Zwei Stunden nach Schließung der 52.000 Wahllokale zeichnete sich bereits ab, dass sich eine deutliche Mehrheit der 104,5 Millionen wahlberechtigten Japaner für die oppositionelle Demokratische Partei (DJP) entschieden hat. Die Regierungskoalition aus den konservativen Liberaldemokraten (LDP) und der buddhistisch orientierten Komeito verliert damit ihre Mehrheit in der zweiten Kammer des Tokioter Reichstages, die neuen Gesetzen zustimmen muss.

Proteststimmen von Pensionistens

In ersten Kommentaren bewerten die Medien diese Machtverschiebung als Misstrauensvotum gegen den mit 52 Jahren jüngsten Regierungschef der japanischen Nachkriegsgeschichte. Vor allem junge Wähler, aber auch enttäuschte Pensionisten hätten die LDP abgewählt. Selbst Stammwähler aus der Landbevölkerung versagten den Liberaldemokraten diesmal die Gefolgschaft.

Allerdings betrug die Wahlbeteiligung nur rund 40 Prozent. Elf Millionen Stimmen wurden vorab per Briefwahl abgegeben.

Die Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Demokratische Partei - die DPJ ist maßgeblich durch frühere Austritte aus der LDP entstanden - erstmals nicht nur stärkste politische Kraft im Oberhaus wird, sondern sogar rund doppelt so viel Mandate erringt wie die Regierungspartei. Deren stellvertretender Vorsitzender Nobuteru Ishihara sprach von einem "sehr ernsten Ergebnis".

Das Führungsgremium der LDP wollte sich noch in der Nacht auf Montag zusammensetzen, um Konsequenzen aus der Wahlniederlage zu beraten. Dabei steht auch der Rücktritt von Premier Abe zur Diskussion. Er wird auf jeden Fall unter Druck gesetzt werden, mit einer Regierungsumbildung dem massiven Wählerprotest Rechnung zu tragen.

Eine Boulevardzeitung hatte unter dem Titel "Abe sagt, er wird nicht zurücktreten. Aber wir können ihn dazu zwingen" vor der Wahl einen kaum verhüllten Wahlaufruf für die Opposition gebracht und die Oberhauswahl als Referendum über den Premier dargestellt.

Pensionsskandal entscheidend

Einen realen Machtwechsel wird es jedoch in Japan nicht geben, da die Regierung im politisch maßgeblichen Unterhaus über eine Zweidrittelmehrheit verfügt. Allerdings ist die Gesetzgebung künftig erschwert, weil das Oberhaus außer dem Budget jede weitere Vorlage ablehnen kann. Abe hatte das Amt des LDP-Chefs und Premierministers vor elf Monaten von seinem charismatischen Vorgänger Junichiro Koizumi übernommen.

Der Spross einer einflussreichen Politik-Dynastie, dessen Großvater Regierungschef und dessen Vater bereits Außenminister war, sollte die LDP zur absoluten Mehrheit in beiden Parlaments-Kammern führen. Stattdessen halbierte sich seine Popularitätsrate bei den Wählern durch unentschlossenes Handeln, schwere Personalfehler und seine einseitige Orientierung auf einen national-konservativen Patriotismus von 60 auf 30 Prozent.

Den Ausschlag für seine schwere Wahlschlappe dürfte am Ende ein Skandal um die staatliche Pensionskasse gegeben haben, den Abe zwar nicht verschuldet, aber auch nicht entschärft hat. Dabei sind Beitragszahlungen in Millionenhöhe verschlampt worden.

Bei einer Wahlveranstaltung vergangene Woche war Abe auch noch ein peinlicher Versprecher unterlaufen: "Wählt die Partei der Reform, die Demokratische Partei" - also die Opposition. Diesen Aufruf ihres Premiers befolgten die Wähler offensichtlich gerne.

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