Balkan: Kosovo-Troika auf Sisyphus-Tour

(c) AP
  • Drucken

Vermittler starten heute den letzten Versuch, einen Kosovo-Kompromiss zu finden. Doch Serben und Albaner sind sich nicht einmal einig, worüber verhandelt werden soll.

Wien/PRISTINA. Wenn Serbiens Premier Vojislav Kostunica heute in Belgrad den internationalen Kosovo-Vermittlern die Hände schütteln wird, dann weiß er, dass er zumindest einen Freund unter den ausländischen Gästen hat: Alexander Bozan-Chartschenko. Der russische Spitzendiplomat hatte Serbien in den vergangenen Tagen mehrmals demonstrativ den Rücken gestärkt bei Belgrads Bestreben, die Südprovinz Kosovo zu behalten. Und hätte Moskau sich nicht quer gelegt, wäre der Plan von UN-Vermittler Martti Ahtisaari wohl im UN-Sicherheitsrat angenommen worden und Kosovo heute ein unabhängiger Staat. Die jetzigen Verhandlungen würden dann gar nicht mehr stattfinden.

Neue Gespräche „irrational“

Diese Gespräche sind ein letzter Versuch, doch noch eine Einigung zwischen Serben und Kosovo-Albanern zu erzielen. Nach Moskaus Willen sollen sie kein Zeitlimit haben, die Vertreter von USA und EU in der Vermittler-Troika sind für ein Limit von 120 Tagen. „Russland will offenbar eine Lösung ins Endlose verschieben“, meint Enver Hoxhaj vom kosovarischen Team zur „Presse“. „Was jetzt passiert, ist irrational, aber wir machen bei den Verhandlungen mit. Worüber konkret verhandelt werden könnte, wissen wir nicht.“

Denn für Pristina ist die Lösung bereits gefunden: in Form des Ahtisaari-Plans. Das Papier sieht – neben Bestimmungen zum Schutz der Kosovo-Serben – eine international überwachte Unabhängigkeit für die Albaner-Provinz vor. „Nach eineinhalb Jahren Verhandlungen wurde erreicht, was zu erreichen war. Wir haben vielfach nachgegeben“, beteuert Hoxhaj. Der Ahtisaari-Plan sei das Beste für alle – auch für die serbische Minderheit. „Er ist für uns nicht nur Grundlage der kommenden Gespräche – wir wollen auch, dass er umgesetzt wird.“

Spiegelverkehrt die Belgrader Sicht: „Der Ahtisaari-Plan wird nicht Gegenstand der Verhandlungen sein, wir können ihn nicht akzeptieren“, sagt Mira Beham, Serbiens Botschafterin bei der OSZE.

Serbien besserte Angebot nach

Dafür hat Belgrad im Gegensatz zu Pristina exakte Vorstellungen, worüber gesprochen werden soll. „Gegenstand soll der Status Kosovos sein, nicht technische Fragen wie der Schutz der Kulturgüter oder Rechte für die ethnischen Gemeinschaften“, fordert Beham. Das wäre das Gegenteil der Ahtisaari-Verhandlungen in Wien, bei denen es vor allem um diese technischen Fragen gegangen war.

Seit diesen fruchtlosen Gesprächen habe Serbien sein Angebot an die Albaner nachgebessert, erläutert Beham: „Wir bieten ihnen jetzt auch eigenständige Beziehungen zu den internationalen Finanzinstitutionen an.“ Zudem könne Pristina eine „eigene Schiene der EU-Verhandlungen“ offen stehen. Jenseits der Roten Linie Belgrads: Ein UN-Sitz für Kosovo. Serbien will zudem die Oberhoheit über Außen- und Verteidigungspolitik sowie Grenzkontrollen und Zollpolitik behalten.

Pristina lehnt das freilich ab: „Das werden wir nie akzeptieren“, wettert Hoxhaj. „Serbien hat einen Genozid an uns verübt. Die letzten vier Jahre haben wir uns de facto selbst verwaltet. Und jetzt sollen wir zurück zu Serbien?“

Aus Sicht eines westlichen Diplomaten würden die USA und einige EU-Staaten das ohnehin nicht zulassen: „Dass jetzt wieder verhandelt wird, ist eine kleine Geste gegenüber Russland und ein Gimmick, um die wankenden Staaten in der EU wieder zusammenzubringen.“ Es gehe darum, Zweifler wie Spanien oder Rumänien davon zu überzeugen, die Eigenstaatlichkeit des Kosovo auch ohne UN-Mandat anzuerkennen.

Auch in Belgrad denkt man über dieses Szenario nach: Sollte die EU eine einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo akzeptieren, könne Serbien unmöglich länger die Aufnahme in der Union anstreben, schrieb gestern die regierungsnahe Zeitung „Politika“.

DIE AKTEURE

Eine Troika, bestehend aus USA, Russland und EU leitet die neuen Kosovo-Gespräche. Sie besucht am Freitag Belgrad, von dort geht es weiter nach Pristina. Zunächst betreiben die Vermittler Shuttle-Diplomatie, diese könnte später zu Direkt-Gesprächen führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.