Straw Poll: Brot und Spiele auf Amerikanisch

(c) AP (David Lienemann)
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In Iowa stellten sich die republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten einer ersten Testwahl.

Wenn man wissen will, wer nächster US-Präsident wird, dann muss man nur Norma Dowell fragen. Die 84-Jährige lebt seit 60 Jahren hier in Ames im US-Bundesstaat Iowa und hat schon für Dwight Eisenhower gestimmt. Diesmal hat es Mitt Romney der rüstigen Urgroßmutter angetan. „Er hat die Uni als Klassenbester abgeschlossen, und als Gouverneur von Massachusetts hat er hervorragende Arbeit geleistet.“ Dann ist da noch ein weiteres, kleines Detail: „Schauen Sie sich an, bei welchem Buffet es die längsten Schlangen gibt und wo die meisten Kinder spielen.“

Kann es tatsächlich sein, dass eine Kletterwand, eine Luftburg, freies Cola und kostenloses Essen über den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika entscheiden? Vielleicht nicht über den Präsidenten, aber möglicherweise über den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Denn an diesem Wochenende fand in Ames eine der seltsamsten Veranstaltungen des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs statt: Der traditionelle „Straw Poll“, eine Testwahl vor der Vorwahl, die den Kandidaten ein Gefühl geben soll, wie sie bei der Bevölkerung ankommen.

McCain und Giuliani kniffen

„Wir sind stolz auf diese Abstimmung, das ist ein Fest für die Demokratie“, hatte Ray Hoffmann, Vorsitzender der Republikaner in Iowa, in der Früh stolz verkündet. Viel zu feiern hat die Demokratie in Ames demnach nicht. Denn der „Straw Poll“ knüpft an die altrömische Weisheit von Brot und Spielen an: Wer sein Volk am besten unterhalten kann, von dem lässt es sich auch regieren.

Die Abstimmung in Ames gibt es seit 1979. Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten versammeln ihre Anhänger auf dem Gelände der Universität von Iowa und versuchen, mit Reden und Diskussionen neue Anhänger zu gewinnen. Am Ende des Tages schreiten die Menschen zu den Urnen und stimmen über die Kandidaten ab. Ein halbes Jahr vor der eigentlichen Vorwahl sieht ein Bewerber damit, wie er im Rennen liegt und ob er seine Kampagne neu ausrichten muss.

So weit die Theorie. Heute haben die Kandidaten die Wahl entsprechend professionalisiert. Aus dem ganzen Bundesstaat karren sie tausende Unterstützer heran, die im Gegenzug für ihre Stimme verköstigt und unterhalten werden. Es entscheiden nicht mehr die Ideen, sondern in erster Linie die Frage, wer es sich leisten kann, die meisten Fans in Bussen nach Ames zu bringen. Die Veranstaltung wurde zu einer Demonstration des Geldes.

Mitt Romney kleckert an diesem Tag nicht, er klotzt. Sein Areal ist doppelt so groß wie das seines nächsten Konkurrenten Sam Brownback und leicht zehnmal größer als das, was sich Tommy Thompson leisten kann. Es gibt eine Bühne, eine Kletterwand, zwei Luftburgen, sechs Buffets und hunderte gelbe T-Shirts mit dem Aufdruck „Mitt 08“. Mit einer regelrechten Armada an Golfcarts chauffieren Romney-Mitarbeiter ältere Menschen zu den Urnen und zurück. Ein Blick genügt, um schon frühmorgens den abendlichen Sieger vorherzusagen.

Ernsthafte politische Konkurrenz hatte der Ex-Gouverneur nicht. Rudy Giuliani, der Favorit der Republikaner, nahm an dem „Straw Poll“ in Ames nicht teil. Ebensowenig wie Fred Thompson, Ex-Senator und Schauspieler, oder Senator John McCain, letzterer freilich aus profanem Grund: McCain hat kein Geld mehr, um sich den Aufwand zu leisten. Und ein schlechtes Abschneiden hier wäre der endgültige Todesstoß für seinen Wahlkampf gewesen.

Einige Bewerber wird die Veranstaltung auf jeden Fall aus dem Rennen werfen. Nicht, weil sie vielleicht die Hoffnung aufgeben würden wie etwa Duncan Hunter, der gerade einmal 174 Stimmen (1,2 Prozent) erhielt und umgehend meinte, er mache weiter. Es sind die versiegenden Wahlspenden der ernüchterten Anhänger, die das Aus bedeuten. Im Laufe der nächsten Wochen wird sich das Feld der elf republikanischen Kandidaten deutlich lichten.

Newt Gingrich wartet noch ab

Noch aber lebt die Hoffnung, etwa bei den Anhänger von Ron Paul, dessen erklärtes Ziel es ist, die Abtreibung wieder zu verbieten. „Paul, Paul, Paul“ skandierend ziehen sie um einen Block. Umgehend kontert ein Romney-Stoßtrupp mit Plakaten und „Mitt“-Rufen. Tommy Thompsons Anhänger könnten hier zweifellos Ruhe schaffen: Er hat die Unterstützung einer ganzen Horde von Harley-Davidson-Fahrern, die mehr Tätowierungen als Zähne haben. Etwas abseits testet Newt Gingrich das politische Wasser unter dem Schutzmäntelchen einer Zukunftsinitiative.

Der einstige Sprecher des Repräsentantenhauses spielt mit dem Gedanken einer Kandidatur, will sich aber erst im Herbst entscheiden. Hier in Ames steht er den ganzen Tag für Fotos und Autogramme zur Verfügung und hört sich gerne die Forderungen an, er solle doch kandidieren.

Am Ende des Tages gibt es doch noch eine kleine Überraschung. Nicht Brownback (15,3 Prozent) wird zweiter hinter Romney (31,5 Prozent), sondern Gouverneur Mike Huckabee (18,1 Prozent). Dabei hatte er in seiner Rede freimütig erklärt: „Ich kann euch nicht kaufen, ich habe das Geld nicht. Ich kann euch nicht einmal mieten.“

DER SIEGER

Mitt Romney, bekennender Mormone und bis Anfang des Jahres Gouverneur von Massachusetts, setzte sich am Wochenende beim traditionellen „Straw Poll“ in Iowa mit 31,5 Prozent der Stimmen durch.

Zweiter wurde Mike Huckabee, vormals Gouverneur von Arkansas (18,1Prozent). Die Favoriten Rudy Giuliani und John McCain traten nicht an, ebenso wenig wie Fred Thompson. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2007)

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