Kosovo: Versuchsballon oder Missverständnis?

Nationalistische Kosovo-Serben erinnern oft an die Vergangenheit: Die Schlacht auf dem Amselfeld 1389. In einem unabhängigen Kosovo sehen viele keine Zukunft für sich.
Nationalistische Kosovo-Serben erinnern oft an die Vergangenheit: Die Schlacht auf dem Amselfeld 1389. In einem unabhängigen Kosovo sehen viele keine Zukunft für sich.(c) EPA (Valdrin Xhemaj)
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Die jüngsten Aussagen des EU-Vermittlers Ischinger bringen alte Ideen zur Teilung der Provinz wieder aufs Tapet. Pristina und Belgrad lehnen dies offiziell ab. Doch Serbien könnte so einen Teil des Kosovo „retten“.

WIEN/BERLIN/PRISTINA. Wolfgang Ischinger hatte ein Tabu berührt: Wenn sich Serben und Kosovo-Albaner darauf einigten, könnte der Kosovo auch zwischen beiden aufgeteilt werden, war der EU-Vertreter in der Vermittler-Troika am Wochenende zitiert worden – und erntete damit großes Aufsehen. Denn vor dem Beginn der Kosovo-Verhandlungen vor mehr als eineinhalb Jahren hatte die sogenannte Kontaktgruppe klare Spielregeln aufgestellt. Und die Option einer Teilung war von der Staatengruppe aus USA, Russland und den wichtigsten EU-Ländern damals klar ausgeschlossen worden.

„Die Kontaktgruppen-Prinzipien sind nach wie vor die Arbeitshypothese, von der man derzeit ausgeht“, stellte am Montag eine Sprecherin Ischingers im Berliner Außenamt auf Anfrage der „Presse“ klar. Die Worte des deutschen Diplomaten seien „aus dem Zusammenhang gerissen zitiert“ worden. Er habe nur auf eine Journalistenfrage gemeint, dass man – bei einer Einigung zwischen Belgrad und Pristina – nichts ausschließen solle, notfalls auch nicht die Teilung. „Diese Option ist aber kein Vorschlag der Troika und steht derzeit auch nicht zur Debatte“, meint die Sprecherin. Auch bei den jüngsten Gesprächen in Belgrad und Pristina sei das nie Thema gewesen. Es sei ohnehin nicht Aufgabe der Troika, Vorschläge zur Zukunft des Kosovo zu machen, die Streitparteien müssten mit neuen Ideen kommen.

Alte Djindjic-Idee

Doch weder Serben noch Kosovo-Albaner scheinen momentan neue Ideen zu haben, und von einer Teilung wollen beide – zumindest offiziell – nichts wissen. Dabei ist diese Überlegung nicht neu. Sie war bereits von Serbiens früherem Premier Zoran Djindjic angedacht worden. Gerüchten zufolge soll er sogar schon sehr nahe an einem Abkommen mit den Kosovo-Albanern gewesen sein – 2003 wurde er jedoch ermordet.

Dann preschte vor einem Jahr Belgrads Kosovo-Beauftragte Sanda Raskovis-Ivis vor, die eine Teilung als Möglichkeit ins Spiel brachte, falls es gar keine andere Lösung gebe. Belgrad ruderte zwar sofort zurück, doch der Ausrutscher – oder Versuchsballon – war draußen. Als Nächster schlug Russlands Ex-Premier Jewgenij Primakow in diese Kerbe, also eine prominente Figur von Belgrads engstem Verbündeten in der Kosovo-Frage. Er nannte eine Teilung die „einzig reale Perspektive“.

Für Serbien sei dies durchaus interessant, meint ein europäischer Diplomat in Pristina: „Sie können sagen: Wir haben bis zum Letzten gekämpft und einen Teil Kosovos gerettet.“ Ein Problem ist, dass nur ein Drittel der Kosovo-Serben kompakt im Norden der Provinz lebt, der Rest in Enklaven im Süden, die auch bei einer Teilung im unabhängigen Kosovo lägen.

Exodus der Kosovo-Serben

Es werde dann zu einem Exodus unter diesen Serben kommen, glaubt der Diplomat. Dass Ischingers Tabubruch in Pristina viel Aufregung verursachen wird, glaubt er nicht: „Die Kosovo-Albaner sind ziemlich gelassen und stehen auf dem Standpunkt: Wir haben ein ausverhandeltes Status-Papier (den Ahtisaari-Plan, Anm.), alles Weitere interessiert uns nicht“.

Und tatsächlich: „Wir in Pristina gehen davon aus, dass Ischinger missverstanden wurde“, meint Enver Hoxhaj vom albanischen Verhandlungsteam zur „Presse“. Eine Teilung würde seine Seite niemals akzeptieren. „Wir wollen einen unabhängigen Kosovo als multiethnischen, nicht als ethnisch homogenen Staat“, behauptet Hoxhaj und warnt: Jeder Versuch, im Kosovo entlang ethnischer Linien eine Grenze zu ziehen, würde zudem Länder wie Mazedonien und Bosnien-Herzegowina destabilisieren. Kommentar Seite 35

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2007)

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