Guatemala: Tödlicher Wahlkampf

In Guatemala suchen Ganoven ihr Heil in der Politik.

Guatemala City/Rio De Janeiro. Nicht einmal der tropische Wirbelsturm „Felix“ soll die Wahl am Sonntag aufhalten. „Ob Regen, Blitz und Donner: am 9. September wird gewählt, weil es das Gesetz vorschreibt“, tönt Óscar Bolaños, Chef des Wahlgerichts. Zuvor hatte man es mit dem Gesetz nicht so genau genommen: Mehr als 40 politische Aktivisten wurden im Wahlkampf ermordet.

Doch nicht nur in der Politik ist das Leben in dem mittelamerikanischen Land gefährlich: Mehr als 6000 Guatemalteken starben vergangenes Jahr durch Waffengewalt; bei zwölf Millionen Bewohnern ist das rekordverdächtig.

Aber nicht nur das: Unter den Kandidaten für Präsidentschaft, Parlament und Rathäuser tummeln sich finstere Gestalten. Der Volksvertreter-Ausweis schützt vor Strafverfolgung besser als eine Schutzweste vor Kugeln. Kein Wunder, dass sich in der politischen Arena Gesindel sammelt. Einer wie Ex-Diktator und Sektenprediger Efraím Rios Montt etwa, der für Massaker an Maya-Indios verantwortlich war. Montt muss einfach weitermachen, damit ihm kein Haar gekrümmt wird, und er hat gute Aussichten auf einen Sitz.

Polizei und Armee haben das Gewaltmonopol ja nur auf dem Papier. Mit Schlagstöcken und Schusswaffen verschaffen sich auch Provinzpolitiker Gehör. Guatemala ist ein Umschlagplatz für Drogen und Waffen. Elf Jahre nach dem Bürgerkrieg zwischen marodierendem Militär und einer linken indianischen Guerilla herrscht zwar Frieden, aber in Wahrheit kämpft nun jeder gegen jeden, und um die Existenz.

200 Familien „gehört“ das Land

Die hellhäutige Oberschicht, also die berühmten 200 Familien, ist nicht bereit, ihre Latifundien und Privilegien mit der indianischen Mehrheit zu teilen.

Wer sich nun demnächst als Nachfolger von Óscar Berger Präsident dieses unglücklichen Landes nennen kann, steht vermutlich erst nach der Stichwahl am 4. November fest. Die aussichtsreichsten Kandidaten, der linksliberale Àlvaro Colom von der „Nationalen Einheit der Hoffnung“ und General Pérez Molina vom „Partido Popular“, liegen laut Umfragen etwa gleichauf.

Dann könnten die Wähler von Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú ihr Gewicht in die Waagschale werfen. Die Maya-Aktivistin, deren Familie massakriert wurde, findet nur im Ausland Aufmerksamkeit. Die indianische Mehrheit im Lande traute bisher ihren eigenen Leuten kaum zu, ein politisches Amt zu übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2007)

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