Wirbel um Kosovo-Vorstoß der USA

Acht Jahre nach dem Kosovo-Krieg ist das Schicksal zahlreicher Menschen noch immer unklar. Ihre Familien wollen endlich Gewissheit.
Acht Jahre nach dem Kosovo-Krieg ist das Schicksal zahlreicher Menschen noch immer unklar. Ihre Familien wollen endlich Gewissheit. (c) AP
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Balkan. Washington treibt EU in der Kosovo-Frage vor sich her. Plassnik: „Nicht hilfreich.“

Wien/Washington/Viana do Castelo. Der Vorstoß der USA war perfekt getimt: Justament, als die EU-Außenminister am Wochenende in Portugal um eine gemeinsame Haltung in der Kosovo-Frage rangen, beseitigte Washington letzte Zweifel an seiner Entschlossenheit: Ja, man werde „die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen“, sollte es zu einer einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit seitens Pristinas kommen, sagte Kurt Volker, ein ranghoher Vertreter des US-Außenministeriums. Dies sei „der einzige Ausweg für den Balkan“.

Vorhersehbar die Reaktion Serbiens, das ja mit allen Mitteln die Souveränität über seine seit dem Krieg 1999 von der UNO verwaltete Provinz behalten will: Man erwarte, dass der UN-Sicherheitsrat einschreite, um die „territoriale Integrität Serbiens vor der Politik der USA zu schützen“, ließ Premier Vojislav Kostunica ausrichten.

Doch auch Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik zeigte sich nicht begeistert: Einseitige Festlegungen seien in dieser Phase „nicht hilfreich“. Die versammelten Außenminister und EU-Spitzen überboten einander zwar mit Appellen und Bekundungen, in der Kosovo-Frage eine gemeinsame Linie zu vertreten. Wie diese Linie allerdings aussehen soll, das liegt noch völlig im Dunkeln. Einig war man sich nur in der Ablehnung einer Teilung Kosovos.

Gespalten ist man nach wie vor bei der Anerkennungs-Frage: Hier gibt es zwar keine offiziellen Bekundungen, hinter den Kulissen heißt es aber, dass dazu derzeit 20 bis 22 EU-Staaten bereit wären.

Kosovaren von EU enttäuscht

Und es könnte noch heuer akut werden: Am 10. Dezember endet die angeblich letzte Verhandlungsphase zwischen Serben und Kosovaren, und die Regierung in Pristina hat signalisiert, dass sie wohl wenig später einseitig die Unabhängigkeit ausrufen werde.

In der Sache kommt der Vorstoß der USA in Richtung Anerkennung nicht überraschend, es war aber das erste Mal, dass sich ein US-Vertreter so deutlich äußerte: „Sie spielen da ein bisschen good cop – bad cop“, meint Verena Knaus, Kosovo-Spezialistin bei der „European Stability Initiative“, im Gespräch mit der „Presse“: „Immer, wenn es bei den Europäern hier eine Stagnation gibt, kommen die USA mit einer (für die Kosovaren; Anm.) optimistischen Ansage.“

Überhaupt mache sich bei den Kosovo-Albanern große Enttäuschung über die EU breit, meint Knaus: „Sie haben das Gefühl, dass sie sich wieder einmal nicht auf die Europäer verlassen können.“ Die Expertin rechnet denn auch nicht mit einer gemeinsamen Anerkennung Kosovos durch die EU-Staaten: „Es wird wohl in mehreren Wellen passieren, bei der ersten müssten aber auf jeden Fall Deutschland, Großbritannien und Frankreich dabei sein.“

Für die EU ist die fehlende Einigung schon deshalb problematisch, weil die Union ja die Kosovo-Mission der UNO ersetzen soll. So sieht es der Plan von UN-Vermittler Martti Ahtisaari vor. Dieses Papier wurde von Russland zwar im UN-Sicherheitsrat abgelehnt, in Pristina laufen dennoch schon Vorbereitungen, den Plan, der eine „überwachte Unabhängigkeit“ Kosovos vorsieht, umzusetzen.

Verhandlungen „heiße Luft“

Unter der Leitung einer Troika aus USA, Russland und EU laufen derweil noch letzte Verhandlungen: „Das ist vor allem heiße Luft, keine Seite wird sich bewegen“, meint Expertin Knaus. Dass diesmal Russland mit am Tisch sitzt, werde daran auch nichts ändern: „Sie sind zwar dabei, aber es wird ja gar nicht verhandelt.“

Alleine die Tatsache, dass die Russen – Serbiens Verbündete – neue Gespräche durchsetzen konnten, ist ein Erfolg für Belgrad: „Die serbische Regierung spielt auf Zeit“, meint der Belgrader Analytiker Bratislav Grubacic zur „Presse“. Denn die Zeit arbeite eindeutig für sie: „Belgrads Lage war vor einem Jahr schlechter, und das liegt vor allem an Russland.“ Dieses handelt freilich aus reinem Eigeninteresse: „Moskau will einfach wieder eine Macht sein, die man fragen muss.“ Kommentar Seite 31

WIE ES WEITERGEHT

120 Tage sollen die neuerlichen Verhandlungen zwischen Serben und Kosovo-Albanern dauern, dann wird die Vermittler-Troika (USA, Russland, EU) ihren Bericht vorlegen. Es könnte ein letzter Versuch folgen, eine Einigung im UN-Sicherheitsrat zu finden. Die Kosovo-Albaner drohen derweil immer stärker mit der Ausrufung der Unabhängigkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2007)

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