Abrechnung in Bukarest gescheitert

(c) AP (Vadim Ghirda)
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Rumänien. Eine Misstrauensabstimmung gegen die Minderheitsregierung von Premier Calin Popescu-Tariceanu schlug überraschend fehl. Die politische Krise ist damit prolongiert.

BUKAREST. Die rechtsliberale Minderheitsregierung von Premier Calin Popescu-Tariceanu hat am Mittwoch überraschend eine Misstrauensabstimmung im Parlament überlebt. Damit ist die politische Krise prolongiert, durch die zuletzt sämtliche Reformprojekte des neuen EU-Mitgliedstaates blockiert waren. Verteidigungsminister Teodor Melescanu zeigte sich erfreut über das Scheitern des Misstrauensvotums: „Es ist gut, dass wir auf unseren Plätzen bleiben können.“

Die Regierung Tariceanu kam vor allem wegen ihrer Korruptionsskandale und ihrer Zickzackpolitik in Bedrängnis. Der Misstrauensantrag war von der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokratischen Partei (PSD), eingebracht worden, um „1000 Tagen des Chaos“ in Rumänien ein Ende zu bereiten.

Tariceanu und seine Nationalliberale Partei (PNL) sind seit Ende 2004 in der Regierung. Seitdem sich aber die Demokraten von Präsident Traian Basescu im April aus der Regierungskoalition zurückzogen, weil sie mit Tempo und Richtung der Reformpolitik des Premiers nicht einverstanden waren, stand Tariceanu nur noch an der Spitze eines Minderheitskabinetts, das neben den Nationalliberalen nur noch von mit der Union der Ungarn in Rumänien gestützt wird. Im Parlament verfügt die Regierung Tariceanu gerade über 20 Prozent der Stimmen.

Zwölf Stimmen fehlten

220 Abgeordnete stimmen gestern für den Misstrauensantrag, nötig gewesen wären aber 232 Stimmen (152 Abgeordnete stimmten gegen den Misstrauensantrag, bei 59 Enthaltungen). Die Abstimmung war geheim und Beobachter meinten, einige sozialdemokratische Abgeordnete hätten sich offensichtlich dem von ihrer Parteiführung vorgegebenen Klubzwang widersetzt.

Das Ergebnis der Abstimmung bedeutet, dass Tariceanu weiter von der Unterstützung von Oppositionsparteien abhängig ist, um seine politischen Projekte zu verwirklichen. Vor allem die Erstellung eines Budgets könnte deshalb überaus mühsam werden.

Präsidentenpläne perdu

Staatspräsident Traian Basescu hatte fest mit einem Sturz der Regierung gerechnet und wollte einen Politiker aus den Reihen seiner Demokraten mit den Regierungsgeschäften betrauen. Sein Wunsch wäre eine Neuauflage einer rechtsliberalen Regierung – allerdings ohne Tariceanu. Auch die Bildung einer rumänischen „Einheitsregierung“ konnte sich der Präsident vorstellen, der mit Ausnahme der radikalen Großrumänienpartei sämtliche parlamentarischen Kräfte angehören sollten.

Seit der politischen Wende 1989 konnte in Rumänien noch keine Regierung per Misstrauensvotum gestürzt werden. Die nächsten Parlamentswahlen stehen in Rumänien im Herbst 2008 an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2007)

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