Geheimnisvolle KP heizt die Gerüchte an

(c) AP (Andy Wong)
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Machtkarussell. Wer stürzt, wer bleibt, wer steigt auf? Die neue Generation tritt an.

PEKING. Als KP-Jugendfunktionär debattierte Li Keqiang noch mit den Studentenführern der Tiananmen-Protestbewegung. Ein paar Jahre später hatte er in der Partei Karriere gemacht: Er stand an der Spitze der KP in der Provinz Henan, die mit rund 95 Millionen Einwohnern größer ist als jeder europäische Staat. Mittlerweile ist er Parteichef der alten Schwerindustrie-Provinz Liaoning im Nordosten Chinas.

Der 52-jährige Li, ein im Ausland weitgehend unbekannter Mann, ist ein Vertrauter von KP-Chef Hu Jintao. Er gehört zur neuen Generation kommunistischer Karrierepolitiker, die das China von morgen prägen werden: Auf dem heute beginnenden 17. Parteitag könnte er in den Ständigen Ausschuss des Politbüros aufrücken – Chinas mächtigsten Zirkel, der über Wohl und Wehe der 1,3 Milliarden Menschen und über Krieg und Frieden entscheidet.

Wer jetzt ins Politbüro einzieht, könnte in fünf Jahren sogar Staats- und Parteichef oder Premierminister werden. Denn im Jahr 2012 müssen Hu und und Regierungschef Wen Jiabao abtreten, weil sie zu alt geworden sind.

Die KP mit ihren 73 Millionen Mitgliedern, die seit 58 Jahren über die Volksrepublik herrscht, debattiert Personalentscheidungen hinter verschlossenen Türen. Wer an der Spitze bleibt, wer aufsteigt und wer abtritt – das erfahren die Chinesen und der Rest der Welt gewöhnlich erst zum Ende des rund einwöchigen Kongresses. Vorher darf die kontrollierte Presse nicht über mögliche Aufstiegskandidaten schreiben.

Eine „Männergesellschaft“

Nur die Medien in Hongkong spekulieren eifrig über die Männer – Frauen sind kaum darunter – auf dem Weg nach oben. Klar scheint so viel: Weil sie die inoffizielle Altersgrenze von 68 Jahren erreicht haben, werden mehrere KP-Führer der sogenannten „4. Generation“ abtreten. Darunter sind der mächtige Sicherheitsminister Luo Gan und die „Eiserne Lady“ Wu Yi.

Zur den Favoriten der „5. Generation“, die sich jetzt nach vorne schiebt, gehört neben dem Liaoninger Parteichef Li Keqiang auch der promovierte Jurist und Schanghaier KP-Boss Xi Jinping. Der 54-Jährige zählt zu den „Prinzlingen“, wie Söhne und Töchter der alten Revolutionäre und frühen Funktionäre genannt werden.

Beim Ringen um Posten geht es in China weniger um unterschiedliche politische Meinungen. Wichtiger ist, wer die Protektion einflussreicher Provinzfürsten und Parteibosse und der Staatsfirmen genießt. Die KP-Spitze um Hu Jintao will, so heißt es in Peking, KP-Chefs aus wirtschaftlich gewichtigen Regionen wie dem südlichen Guangdong oder dem östlichen Jiangsu ins Politbüro holen. Damit wollen sie offenkundig verhindern, dass diese Provinzen zu eigenständig werden. Zuletzt hatten die Politiker der Hauptstadt offen darüber geklagt, dass ihre Anweisungen in den Regionen immer wieder ignoriert werden – nach dem Motto: „Der Kaiser ist weit, und die Berge sind hoch.“

Ein chinesischer Gorbatschow?

Alle Aufstiegskandidaten stammen aus einer Generation, die als Kinder und Jugendliche die Wirren der Kulturrevolution erlebten. Sie alle haben seither einen sorgsam ausgeklügelten Berufsweg durchlaufen, mit der die KP ihren Nachwuchs in einer einzigartigen Mixtur aus traditioneller konfuzianischer Bürokratie, leninistischer Kontrolle und kapitalistischem Personalmanagement auf künftige Aufgaben vorbereitet. Wenige haben allerdings in anderen Ländern Erfahrungen gesammelt.

Wird womöglich ein chinesischer Gorbatschow auf diesem Parteitag nach oben katapultiert? Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Die neue Generation musste sich sehr biegen und beugen, um sich die Aufstiegschancen zu wahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2007)

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