Wie Russland den Balkan aufkauft

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Im Schatten der Kosovo-Krise baut Moskau seinen Einfluss in Serbien und Bosnien aus, nun auch wirtschaftlich.

Sarajewo/Belgrad/Wien. Zum Äußersten ließ es Russland nicht kommen, zumindest noch nicht: Am Mittwoch hat Moskau im UN-Sicherheitsrat entgegen manchen Befürchtungen doch der Verlängerung des EU-Polizeieinsatzes in Bosnien zugestimmt. Im Windschatten der Kosovo-Krise, in der Russland stramm an der Seite Serbiens steht, mischt der Kreml nun auch im instabilen Bosnien-Herzegowina mit. Der jüngste Eklat kam Moskau dabei sehr gelegen: Ein Erlass des Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft sollte die Blockademöglichkeiten der Volksgruppen einschränken. Dies traf vor allem die serbische Seite. Milorad Dodik, Premier des Teilstaats Republika Srpska, wies die serbischen Minister an, aus der Regierung des Gesamtstaats auszutreten. Ohnehin droht er längst, mit seiner Republika Srpska das ungeliebte Bosnien-Herzegowina zu verlassen.Demos unter Putin-Bildern

Nicht nur Belgrad stärkt ihm dabei den Rücken, sondern nun auch Moskau. Als Dankeschön demonstrierten kürzlich tausende Serben in ihrer Hochburg Banja Luka unter Putin-Bildern.
Haris Silajdziz, Repräsentant der Bosniaken im Staatspräsidium, erklärte der "Presse", es werde von Serbien und Russland eine "künstliche Krise" erzeugt, um wegen der anstehenden Entscheidung über den Kosovo-Status mit der Abspaltung der Republika Srpska zu drohen.
Richard Holbrooke, während der Balkankriege der 90er-Jahre als US-Spitzendiplomat in der Region aktiv, fordert nun eine feste Haltung Europas gegenüber den serbisch-russischen Ambitionen. Holbrooke deutete gegenüber der "Welt-Online" an, dass von Russland auch Geld nach Banja Luka geflossen sei. Seit der Ölpreis so dramatisch angestiegen ist, seien die Kassen des Kreml und russischer Firmen ja gut gefüllt.

Schon seit einiger Zeit wundert sich die Bevölkerung der Republika Srpska, wie es möglich ist, dass Dodik mit dem Gehalt eines Premiers eine Villa in Belgrad bauen kann. Und die umgerechnet 40 Mio. Euro für den Ausbau eines repräsentativen Regierungssitzes in Banja Luka, der am Mittwoch eröffnet wurde, sind aus dem knappen Budget kaum zu finanzieren.

Interessant ist, dass eine russische Firma die Raffinerie in Bosanski Brod gekauft hat. Preis und nähere Umstände für den Kauf der größten Raffinerie des Landes liegen im Dunkeln. Wer diese Geschäfte kritisiert, lebt gefährlich. Vor zehn Tagen bezahlte ein Beamter in Banja Luka, der sich mit Korruption beschäftigte und viele Mitglieder der politischen Führung beschuldigte, seine Tätigkeit mit dem Leben.

Seit sich Serbien offenbar sicher ist, dass Moskaus die Unterstützung in der Kosovo-Frage nicht zurückzieht, ist auch in Belgrad eine stärkere Orientierung am großen "slawischen Bruder" zu beobachten. Das Interesse an engeren wirtschaftlichen Beziehungen sei im letzten halben Jahr "signifikant gestiegen", sagt Tijana Jocic, Österreichs stellvertretende Handelsdelegierte in Belgrad: "Kein Tag, an dem die Zeitungen hier nicht über mögliche russische Investitionen berichten."

Kauft Oligarch Kupfermine?

In Zahlen sah es bisher ja eher bescheiden aus (siehe Kasten). Russlands Anteil könnte jedoch bald steigen: So laufen Verhandlungen über den Verkauf der serbischen Fluggesellschaft JAT an die Aeroflot. Der Oligarch Oleg Deripaska gilt zudem hinter vorgehaltener Hand als Favorit bei der Privatisierung der Kupfermine RTB Bor.
Auch bei anstehenden Privatisierungen im Energie-Bereich dürfte Russland kräftig mitmischen, selbst wenn die staatliche Ölgesellschaft NIS vorerst nicht ganz verkauft wird. Und es gibt Pläne über einen serbischen Arm der South Stream-Pipeline, über die Gas von Russland in den Westen fließen soll.

In Montenegro haben sich Russen sowieso schon längst die besten Küstenabschnitte gesichert. Dass dabei auch Geld gewaschen wird, kümmerte die Regierung bisher wenig.

WISSEN


Bei den Direktinvestitionen
in Serbien hatte die EU in den vergangenen Jahren die Nase klar vorne. 6,8 Milliarden US-Dollar wurden von der EU von 2000 bis 2007 investiert, von Russland nur 59,4 Millionen Dollar.

Parallel zu Moskaus Hilfe für Belgradim Streit um Kosovos Zukunft verstärken nun aber auch russische Firmen ihre Präsenz in Serbien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2007)

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