Apollo-Programm für die Rettung des Weltklimas

Jerome Ringo
Jerome RingoDie Presse (Clemens Fabry)
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US-Umwelt-Visionär Jerome Ringo, Gründer der Apollo-Alliance für Umweltschutz, will Aktionen setzen für das Ergrünen der USA. Dabei wählt er den Weg von Martin Luther King.

Die Presse: Sie sind Kopf der Apollo-Alliance. Das Besondere an ihrer Organisation: Sie haben es geschafft, ein breites Bündnis von linken Umweltgruppen und evangelikalen Bewahrern der Schöpfung, von Unternehmern und Gewerkschafter zu schmieden.

Jerome Ringo: Wir haben unsere Allianz rund um das Thema Energieunabhängigkeit aufgestellt. Unser Credo: Reduktion der Abhängigkeit von Öl, Stimulation der Wirtschaft durch Investitionen in Grüne Technologien und Klimaschutz. Mit Investitionen in Alternativ-Energie - Wind, Solarenergie, Biotreibstoffe, etc. - lassen wir eine "Grüne Ökonomie" entstehen. Die Apollo-Allianz ist der Meinung, dass so in zehn Jahren drei Millionen neuer Arbeitsplätze in den USA entstehen können und Investitionen in Höhe von 300 Milliarden Dollar in diesen Sektor fließen. Wir glauben, indem wir die Entwicklung von Alternativenergien fördern, können wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und somit auch die Belastung des Klimas reduzieren.

Sie sagen, ihnen ist wichtig, dass Klimaschutz von einem Elitenthema zu einem Thema der breiten Masse wird.

Ringo: Wir haben eine moralische Verpflichtung gegenüber dem Planeten, auf dem wir leben. Punkt. Ich verwende die Rezepte, die auch Martin Luther King verwendet. Aus vielen versprengten Gruppen hat Martin Luther King die Bürgerrechtsbewegung geformt. Er hat alle Menschen miteinbezogen und alle rund um ein Thema versammelt. Es geht darum, den Aktivismus wiederzuerfinden und alle Menschen für das große Thema unserer Zeit: Energie und Klima zu begeistern.

Apollo-Allianz: Das soll visionär klingen. Wenn es Amerika gelungen ist, Menschen auf den Mond zu schießen, dann sollte auch das Klima zu retten sein.

Ringo: Ja das soll es. Es geht um eine Vision und die Sache ist ernst, uns bleibt für einen Kurswechsel nicht mehr viel Zeit. Wir erleben den Rückzug der Gletscher, wir sehen das Abschmelzen des Eises in der Arktis. Wir hatten seit 1991 die 10 heißesten Jahre der jüngeren Erdgeschichte. In den USA hatten wir eine Serie von zerstörerischen Stürmen: Katrina, Rita, Wilma. Ich stamme selbst aus Lousiana, wurde bei Katrina evakuiert. Zur selben Zeit ist der Ölpreis dort, wo er zuletzt während der islamischen Revolution im Iran war. Das schreit doch förmlich nach einem Kurswechsel. Wir brauchen eine Vision. Aber das bedarf einer ernsthaften Anstrengung. Wie damals, 1961, als Kennedy davon sprach, dass die USA Menschen zum Mond schicken werden. Er sagte damals, wir können das in zehn Jahren erreichen. Es hat neun Jahre gedauert.

Wir glauben, dass wir in zehn Jahren die USA energieunabhängig machen können. Wir glauben, dass wir in zehn Jahren drei Millionen neuer Jobs kreieren können, wir glauben, dass die USA in zehn Jahren 300 Milliarden Dollar an Investitionen für dieses Projekt mobilisieren kann. Das ist eine Riesenaufgabe, aber es ist machbar.

Viele amerikanische Umweltschützer stellen einen Bezug zum Irak-Krieg her: Wenn die USA von fossiler Energie unabhängig wäre, dann hätte es keinen Irak-Krieg gegeben.

Ringo: Da ist etwas Wahres dran. Ich glaube, dass die USA viele der Energieressourcen, die wir brauchen, auf der Erdoberfläche hat und wir nicht in fernen Ländern unter dem Sand danach suchen müssen. Wenn ich darüber nachdenke, wieviele Milliarden Dollar wir dafür ausgeben, um diese Ölfelder irgendwo auf der Welt zu schützen - etwa im Irak - dann ergibt das keinen Sinn. Wir haben andere Optionen, diese liegen in unserem Land. Wir müssen aufhören, so viel Geld in die Sicherheit unserer Ölversorgung in irgendeiner Ecke des Planeten zu investieren und stattdessen dieses Geld dazu verwenden, um Alternativen zum Öl zu forcieren. Wir finanzieren beide Seiten im Krieg gegen den Terror: Regimes in ölreichen Ländern - denen wir unser Geld geben - stützen den Terror. Gleichzeitig haben wir Milliardenaufwendungen für unsere Armee im Krieg gegen den Terror.

In Sachen Energie-Effizienz ist Europa den USA um Lichtjahre voraus. Verlieren die USA den Anschluss?

Ringo: Japan ist sogar noch weiter vorn. Um aufzuholen, muss sich in den Köpfen der Menschen in den USA einiges ändern. Vor zehn Jahren hat niemand in den USA über Energiesparen gesprochen. Was heute passiert - Soldaten, die täglich im Irak sterben, Rekord-Ölpreis an der Zapfsäule - bringen die Menschen dazu, endlich umzudenken. Wir können eine Menge von den Japanern, von den Europäern lernen. Wir haben kaum vernünftige Massentransportsysteme in unseren Städten, wir müssen aufhören, diese Automonstren zu fahren. Wenn wir energieeffizientere Autos fahren, dann helfen wir der Umwelt und können auch Detroit wieder auf die Beine helfen. General Motors hat 150.000 Arbeiter gekündigt. Wenn GM moderne Hybridautos bauen würde, dann könnten dort 200.000 Menschen zusätzlich Arbeit finden, anstatt dass Leute gefeuert werden. Die Menschen in den USA müssen aufhören, nur an Komfort und Luxus zu denken, sondern daran, was morgen, was übermorgen sein wird.

Der Chor der Klimawandel-Warner wird in den USA immer vielstimmiger. Welchen Part singt die Apollo-Alliance eigentlich?

Ringo: Sie haben recht, wir sind ein recht stattlicher Chor geworden, fast wie der in der Wiener Staatsoper. Im Ernst: Al Gore ist ein Freund von mir. Ich habe zu Al Gore gesagt: Die Menschen gehen in den Film "An Inconvenient Truth" und kommen heraus und fragen sich: "Und, was nun?" Der Film hat uns auf das Problem Klimawandel aufmerksam gemacht, aber es ging kaum um Lösungen. Zweitens: Der arbeitslose Automobilarbeiter, der in Detroit den Film gesehen hat, kam genauso arbeitslos aus dem Kino. Aber dieser arbeitslose Automobilarbeiter hat eine Chance auf einen Job: Wenn wir die Energieunabhängigkeit Amerikas erklären, dann gibt es eine ganze Menge zu tun. Die meisten Umweltorganisationen - ich war lange Zeit Vorsitzender der größten US-Umweltorganisation, der UN National Wildlife Foundation - erzählen den Menschen von Klimawandel und den Problemen, die daraus folgen. Die Apollo-Alliance beschäftigt sich mit Lösungen, nicht Problemen. Wir müssen über die Probleme reden - aber wir müssen gleichzeitig Lösungen anbieten.

In den USA beginnen die Vorwahlen, kommendes Jahr wird gewählt. Wer - außer ihrem Freund Al Gore, der angekündigt hat, nicht kandidieren zu wollen - ist der Richtige?

Ringo: Hoffentlich ändert er noch seine Meinung.

Glauben Sie?

Ringo: Hoffentlich. Ich habe mit den meisten Präsidentschaftskandidaten Gespräche geführt und bin sehr optimistisch. Speziell bei den Demokraten sehe ich viel Sympathie für unsere Sache. Bei den Republikanern ist es John McCain, der sich für den Klimaschutz engagiert. Von Rudy Giuliani habe ich weniger gehört. Die Umweltbewegung muss hart daran arbeiten, dass "Saubere Energie schafft gute Jobs" eine wichtige Message im Präsidentschaftswahlkampf wird. Im Moment sind Wirtschaft, Gesundheitswesen und Irak die drei Top-Themen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Energie-Unabhängigkeitserklärung in die Liga der wichtigsten Themen aufsteigt. Wenn Al Gore kandidieren würde, wäre unser Thema ein solches Top-Thema.

Es ist wichtig, dass ich in Wien bin, ich glaube, dass der Rest der Welt eine Idee bekommt, wie wichtig es ist, dass man breite Koalitionen schmiedet. Jeder ist vom Klimawandel betroffen, doch jeder kann davon profitieren, dass wir das Problem gemeinsam lösen. Wenn wir das nicht tun, werden wir alle gemeinsam Schaden erleiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2007)

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