Kambodscha: Warten auf Gerechtigkeit

Fast 30 Jahre nach Ende der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wird die Justiz aktiv.

BANGKOK/PHNOM PENH. "Hier starben mehr als 100 Opfer", ist auf dem Schild am Stamm des Baumes zu lesen. In der Nähe wölbt sich ein grün bewachsener Hügel. Dort wurden einst die sterblichen Überreste vorwiegend von Frauen und Kindern verscharrt. Sie waren mit Spitzhacken erschlagen oder von Bajonetten durchbohrt worden - eine für die Roten Khmer gängige Mordmethode, weil sie Munition sparen wollten.

"Diejenigen, die das getan haben, waren doch auch Buddhisten. Wie konnten sie das ihrem eigenen Volk antun?", fragt leise einer der Touristenführer, der regelmäßig ausländische Besucher nach Choeung Ek fährt. Allein hier, auf den so genannten "Killing Fields" südwestlich von Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh, wurden bis zu 17.000 Menschen ermordet. Die meisten waren Häftlinge des berüchtigten Foltergefängnisses Tuol Sleng.

Nach fast 30 Jahren sollen die Verbrechen der Roten Khmer endlich juristisch aufgearbeitet werden: Vor etwa zwei Wochen haben die Chefankläger des UN-Tribunals damit begonnen, Beweise zu sichten. Diese sollen darüber entscheiden, welche Ex-Führer des Regimes vor Gericht gestellt werden.

Tribunalsprecherin Helen Jarvis ist sichtlich erleichtert: "Darauf haben wir eine sehr lange Zeit gewartet!" Die Richter, 13 von der UNO und 17 von Kambodschas Regierung ausgewählte Juristen, waren bereits Anfang Juli vereidigt worden. Die ersten Untersuchungen dürften mindestens sechs Monate dauern, schätzt Jarvis. Erst dann könnte den Beschuldigten der Prozess gemacht werden.

Während des Terrorregimes kamen zwischen April 1975 und Anfang 1979 etwa 1,7 Millionen Kambodschaner ums Leben. Wer nicht hingerichtet wurde, starb an Hunger, Krankheit und Erschöpfung in den Arbeitslagern.

Nach fast sechs Jahren zäher Verhandlungen hatte sich Kambodschas Regierung mit der UNO im Juni 2003 auf die Einrichtung eines Tribunals geeinigt, das die noch lebenden Führer der Roten Khmer wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aburteilen soll. Doch Dina Nay, eine Überlebende des Roten-Khmer-Regimes, sorgt sich um die Unabhängigkeit der kambodschanischen Justiz. Wie sie monieren viele Kritiker die engen politischen Verbindungen zwischen dem jetzigen Staatsapparat und den ehemaligen Roten Khmer.

"Ich warte seit 30 Jahren auf Gerechtigkeit, und wir wollen, dass dieses Kapitel beendet wird", sagt Nay, Direktorin des "Khmer Institute of Democracy" in Phnom Penh. Die 50-Jährige kritisiert, dass die dringend benötigte Reform des Justizwesens bisher ausgeblieben ist: "Richter sollten frei sein von politischer Einflussnahme und Korruption. Bisher hat es hier kaum Verbesserungen gegeben."

Die Folge: Bisher musste sich kein hochrangiger Führer der Roten Khmer juristisch verantworten. Pol Pot, der berüchtigte "Bruder Nummer eins", starb 1998. Von den einstigen Tätern sitzt nach dem Tod von Ex-Militärchef Ta Mok am Freitag nur noch einer in Haft: der Ex-Leiter des Foltergefängnisses Tuol Sleng, Kaing Khek Iev.

Für die Überlebenden des Terrorregimes ist es wichtig, dass die Gerichtsverhandlungen öffentlich sind. Die Bevölkerung betrachtet den Beginn des UN-Tribunals mit Genugtuung. Allerdings ist angesichts beschränkter Zeit und Finanzen unwahrscheinlich, dass letztlich mehr als ein Dutzend der greisen Täter abgeurteilt wird.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.