Wahlsieg: Frankreich unter Nicolas Sarkozy

Die Würfel sind gefallen: Nicolas Sarkozy wird Frankreichs neuer Präsident. Jetzt beginnt das Gerangel um die Spitzenposten im Kabinett. Die große Frage: Wer wird Frankreichs neuer Premier?

Am 16. Mai wird Nicolas Sarkozy das Amt des französischen Präsidenten von Jaques Chirac übernehmen. Nach einem stark polarisierenden Wahlkampf entschieden sich die Franzosen mehrheitlich für den konservativen Kandidaten. Sarkozy kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis in der Stichwahl am Sonntag auf 53,06 Prozent der Stimmen. Seine Konkurrentin, die Sozialistin Segolene Royal konnte 46,94 Prozent der Wähler für sich gewinnen. Mit 83,97 Prozent war die Beteiligung an der Wahl eine der höchsten in der Fünften Republik.

Sarkozy: Sinnieren im Kloster

Der umstrittende Konservative will umgehend eine Regierung aus 15 Ministern bilden, um seine geplanten Reformen möglichst rasch umzusetzen. Er will eine parteiübergreifende Regierung ernennen. Dem Kabinett werden Vertreter des Zentrums und der Linken angehören. Das kündigte Sarkozys Berater Francois Fillon an, der als Favorit für das Amt des Premiers gilt.

Für die Entscheidung will sich Sarkozy in den nächsten Tagen in ein Kloster zurückziehen. Zahlreiche Politiker drängen auf Spitzenposten in der Regierung unter dem neuen Präsidenten. Mindestens drei Kandidaten kommen für den Posten des Premierministers in Frage.

Größte Chancen: Der Getreue

Als aussichtsreichster Kandidat wird in Paris Francois Fillon gehandelt. Schon nach dem UMP-Wahlsieg 2002 war der 53-Jährige als Premierminister im Gespräch. Stattdessen war Fillon bis zum März 2004 Sozialminister, dann Chef des Bildungsressorts. Dort machte er Beobachtern zufolge eine eher unglückliche Figur. Nach der Ablehnung der EU-Verfassung 2005 musste Fillon die Regierung verlassen. Er ergriff umgehend Partei für Sarkozy. Der Sarkozy-Getreue Brice Hortefeux, der als Chef des Innenressorts gehandelt wird, nennt Fillon bereits "Herr Premierminister".

Das soziale Gewissen

Umfragen zufolge hätten 34 bis 38 Prozent der Franzosen am liebsten Jean-Louis Borloo als Premierminister unter Sarkozy. Der 56-Jährige ist als Arbeits- und Sozialminister eine Art soziales Gewissen der amtierenden Regierung unter Dominique de Villepin. Jüngsten Medienberichten zufolge dürfte er eher ein zentrales Ressort übernehmen, etwa als "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit.

Die erste Frau an der Spitze?

Auch Michele Alliot-Marie hat Ambitionen auf den Premiersposten. Ihre Chancen sind jedoch gering. Alliot-Marie wird auch als mögliche Außen- oder Innenministerin gehandelt. Die 60-Jährige ist seit 2002 Frankreichs erste Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Davor war sie die letzte Vorsitzende der RPR-Partei von Jacques Chirac, die 2002 in der UMP aufging.

Ex-Premier Juppe: Sprungbrett nach Brüssel?

Ob Ex-Premierminister Alain Juppe der ersten Regierung unter Sarkozy angehören wird, ist unsicher. Der 61-Jährige gilt als weiterer Anwärter auf den prestigeträchtigen Posten des Außenministers, den er bereits von 1993 bis 1995 bekleidet hatte, ist aber auch als Finanzminister oder möglicher Präsident der Nationalversammlung. Medienberichten zufolge sucht Juppe ein Sprungbrett, um 2009 nach Brüssel in die EU-Kommission zu wechseln.

Sarkozy: Gleichviele Frauen wie Männer

Sarkozy hat versprochen, in seine Regierung ebenso viele Frauen wie Männer zu entsenden. Erwartet wird unter anderem, dass seine Wahlkampfsprecherin Rachida Dati das von Sarkozy geplante "Ministerium für Einwanderung und nationale Identität" übernimmt. Auch UMP-Sprecherin Valerie Pecresse dürfte dem Kabinett angehören, ebenso wie Ex-Umweltministerin Roselyne Bachelot.

Gegner randalieren

Während Sonntag Nacht auf dem Pariser Concorde-Platz etwa 30.000 Anhänger mit einem "großen Volksfest" Sarkozy feierten, antworteten tausende seiner Gegner in Paris mit teils gewalttätigen Demonstrationen. Protestiert wurde hauptsächlich in den Pariser Vorstädten, Nancy, Lyon, Metz, Bordeaux, Mülhausen, Nantes, Lille, Toulouse und Marseille. Dabei wurden Dutzende Autos und Müllcontainer angesteckt sowie Schaufensterscheiben zertrümmert. Die befürchteten schweren Krawalle blieben aber aus. Die Polizei sprach von einer angespannten Lage in den Pariser Vorstädten.

Sarkozy: "Volk hat Wandel beschlossen"

"Das französische Volk hat entschieden, mit Ideen und Gewohnheiten der Vergangenheit zu brechen", sagte Sarkozy nach der Wahl. "Arbeit, Leistung und Autorität" müssten wird mehr als Werte betont werden. 

In seiner ersten Rede nach seinem Wahlerfolg dankte der Wahlsieger seinen Anhängern und sprach von einem "unsagbaren Stolz", Franzose zu sein. Er wolle der Präsident aller Franzosen sein. "Das französische Volk hat den Wandel beschlossen", sagte Sarkozy. Er habe aber auch Achtung für seine Rivalin "Segolene Royal und ihre Ideen", sagte Sarkozy. Royal achten heiße, Millionen Franzosen achten, die für sie gewählt hätten.

"War immer Europäer"

Sarkozy gab ein "tiefes und ernsthaftes" Bekenntnis zum "Aufbau Europas" ab. "Mein ganzes Leben war ich Europäer." Er rief die EU-Partner auf, auf die Stimme der Völker zu hören. Als "großen Traum" nannte er die friedliche Einigung des Mittelmeerraumes nach dem Vorbild Europas.

Eine doppelte Botschaft sandte Sarkozy nach Washington. "Die USA können auf unsere Freundschaft rechnen", sagte er unter dem Beifall seiner Anhänger. Frankreich werde "immer an der Seite" Amerikas stehen. Er erinnerte Washington aber auch an seine "Pflicht", sich an die Spitze des Kampfes gegen den Klimawandel zu setzen. Frankreich werde das zu seiner Hauptaufgabe machen. Royal gestand ihre Niederlage ein und wünschte Sarkozy, seine "Mission im Dienst aller Franzosen" zu erfüllen. "Bleibt mobilisiert, ich mache mit Euch weiter", rief sie den Anhängern zu. Sie werde weiter für die "Erneuerung der Demokratie" und der Linken kämpfen.

Feier auf dem Place de la Concorde

Mit Jubelrufen und "Wir haben gewonnen" hatten Anhänger Sarkozys schon am frühen Abend nach noch unbestätigten Informationen den Sieg gefeiert. Hunderte in Paris versammelte Mitglieder und Sympathisanten von Sarkozys Regierungspartei UMP hatten - im Ausland veröffentlichte - Prognosen zur Stichwahl zwischen dem früheren Innenminister und der Sozialistin Royal verfolgt.

Sarkozy wird am 16. Mai die Staatsgeschäfte von Chirac übernehmen. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre. In den kommenden Tagen will Sarkozy sich in ein Kloster zurückziehen, um seine Regierungsmannschaft aufzustellen.  (Ag./Red.)

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