„Werden riesiges Auffanglager“

(c) EPA (Italian Military)
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Flüchtlinge. Auf Malta regt sich immer mehr Widerstand gegen die „Boat People“.

Valletta/Wien. In Malta hat es im Juli durchschnittlich 29 Grad. Das ist aber nicht der Grund, warum es in dem kleinen Inselstaat zunehmend kocht und brodelt. Das liegt eher daran, dass Malta mit seinem Beitritt zur EU 2004 zu einem der beliebtesten Ziele für illegale Einwanderer wurde, die es von der nordafrikanischen Küste her ansteuern. Die Regierung schickt bereits seit längerem Hilferufe, Warnschreie und Protestnoten an die EU-Partner.

Mittlerweile aber reicht es offenbar auch den 400.000 Einwohnern der Insel: „Wir waren immer gastfreundlich“, sagt Sozialministerin Cristina Dolores. „Aber jetzt greift auch bei uns der Rassismus um sich.“ Dahinter stehe die Angst, dass Unterkünfte und Arbeitsplätze durch den Druck der Neuankömmlinge knapp werden könnten.

Diese Reaktion der Malteser ist nicht ungewöhnlich für traditionelle „Auswandererländer“, die plötzlich „Einwandererländer“ werden. Malta hat als kleinster EU-Staat allerdings ein besonderes Problem: Es fehlen die Kapazitäten, um mit dem Flüchtlingsstrom fertig zu werden. Allein im vergangenen Jahr landeten 1800 Flüchtlinge auf Malta. „Wir laufen Gefahr, ein riesiges Auffanglager zu werden“, sagte Dolores dem Online-Dienst „euobserver“.

Die Maßnahmen, zu denen Malta zwecks Abschreckung gegriffen hat, sind in der Europäischen Union bereits auf empörte Reaktionen gestoßen. So weigerte sich die Regierung in einem Fall, Flüchtlinge an Land zu lassen. Auch die Bedingungen in den gefängnisartigen Auffanglagern sorgen für Proteste. Vielerorts müssen die Flüchtlinge bereits in Zelten untergebracht werden.

Abfuhr von den EU-Partnern

Trotz dieser zunehmend prekären Situation hat Malta mit seiner Bitte um Unterstützung bei den anderen EU-Staaten bisher auf Granit gebissen. Innenminister Tonio Borg forderte von seinen EU-Amtskollegen bereits wiederholt praktische Hilfe bei der Umverteilung aufgegriffener „Boat People“, holte sich aber ein ums andere Mal eine Abfuhr.

Unterstützung erhielt Malta jetzt aber von der UNO. Der UN-Sonderbeauftragte für Migration, Peter Sutherland, sagte anlässlich einer Konferenz in Brüssel: „Es ist absurd, hier keine gemeinsam europäische Politik zu haben. Zu denken, man könne nationale Souveränität im Bereich der Migration bewahren, ist verrückt. Eine Vogel-Strauss-Politik.“

Maltas einziger Erfolg bisher bei seinen EU-Partnern ist die Operation „Nautilus“. Flugzeuge und Hubschrauber aus EU-Staaten überwachen das Meer zwischen Malta, der italienischen Insel Lampedusa und der libyschen Küste. Werden „Boat-People“ aus der Luft gesichtet, läuft ein Schiff der Küstenwache aus.

„Nautilus“ soll die Flüchtlinge aber nicht nur zum Umdrehen zwingen – vorausgesetzt, der jeweilige Kahn ist noch seetüchtig –, sondern auch die Dramen verhindern, die sich jedes Monat unbemerkt von der Öffentlichkeit auf hoher See abspielen. Ende Mai etwa retteten sich 27 Flüchtlinge auf ein Thunfischnetz. Nach ihrer Rettung erzählten sie, dass die Hälfte ihrer Weggefährten auf der gefährlichen Reise ums Leben gekommen war.

Innenminister Borg schätzt, dass 600 Menschen jährlich vom Mittelmeer verschluckt werden. Hilfsorganisationen gehen sogar von mehr als 1000 Toten jährlich zwischen der nordafrikanischen und der europäischen Küste aus.

Sonderpreis für Flüchtlinge

Die Operation „Nautilus“ hatte den Nebeneffekt, dass der Preis pro geschmuggeltem Menschen von 1000 auf 250 Dollar sank – die Schlepper rechneten damit, dass sie ihre Aktivitäten vorübergehend einstellen müssten und wollten noch möglichst viele Personen übers Meer bringen. Praktisch hält sich der Erfolg bisher aber in Grenzen. Laut der „Times of Malta“ wurden bisher vier Boote mit 100 Migranten angehalten.

Dennoch soll „Nautilus“ bis Oktober laufen. Denn in den Sommermonaten herrscht auf dem Mittelmeer ruhige See. Oder wie es bei der Küstenwacht bereits heißt: „Flüchtlingswetter“. Meinung S. 39

LASTENTEILUNG

Malta will unter portugiesischem Vorsitz einen neuen Vorstoß zur Aufteilung der Bootsflüchtlinge wagen. Nach Angaben aus Valletta entsprechen 1800 Illegale auf Malta 280.000 Immigranten in Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2007)

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