„Renaissance kommt sicher“

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Globalisierung und EU bringen den Sozialisten neue Wähler.

Die Socialistische Partij der Niederlande hat einen Traum: Sie will eine Gesellschaft, in der "die menschliche Würde, die Gleichheit der Menschen und die zwischenmenschliche Solidarität tatsächlich Gestalt annehmen". Umsetzen will sie diesen Traum, indem sie "Aktivitäten organisiert, die primär die Bewohner der Niederlande betreffen".

Was naiv klingt, ist ein Erfolgsrezept. Die SP hat sich unter ihrem Vorsitzenden Jan Marijnissen in den letzten Jahren zu einer der erfolgreichsten sozialistischen Parteien Europas gemausert, stellt seit 2003 die drittstärkste Fraktion im Unterhaus des niederländischen Parlaments und kommt in Zeiten schrumpfender Parteikader auf mehr als 52.000 Mitglieder.

Möglichst nahe am Wähler

Ihre Attraktivität bezieht die SP aus der Nähe zum Wähler. "Sie gleicht der PDS in den 90er-Jahren in den neuen deutschen Bundesländern", meint Helmut Scholz, Mitglied des Bundesparteivorstands von Die Linke und verantwortlich für die internationalen Beziehungen der Partei. "Sie ist eine Partei der Kümmerer, die sehr pragmatisch und sehr erfolgreich auf lokaler Ebene agiert - und die Leute dazu ermuntert, wieder Politik zu machen."

Die SP mag Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien der linken Szene in Europa haben, "typisch" ist sie aber nicht. Denn diese Kategorie lässt sich auf das kunterbunte Patchwork der Linken auf dem Kontinent kaum anwenden. Allein die Europäische Linkspartei hat 19 Mitglieder, acht Parteien mit Beobachterstatus sind angeschlossen. Insgesamt gibt es in der EU 51 sozialistische oder kommunistische Parteien, von denen die meisten am Rande der politischen Bedeutungslosigkeit existieren.

Ausnahmen sind neben der SP in den Niederlanden die Linke in Deutschland, deren Profil durch ihre Neugründung im Frühjahr 2007 deutlich gestärkt wurde, und die AKEL auf Zypern. Diese "Fortschrittspartei des werktätigen Volkes", die aus der Kommunistischen Partei Zyperns hervorgegangen ist, erhielt bei den Wahlen 2006 immerhin 31,1 Prozent der Stimmen und stellt vier Minister. In Norwegen sitzt eine sozialistische Linkspartei, die Sosialistisk Venstreparti, seit Oktober zusammen mit den Sozialdemokraten und der Zentrumspartei in der Regierung.
Ebenfalls zu Regierungsehren kam 2005 die italienische Partito della Rifondazione Comunista (PRC) als Teil des Wahlbündnisses "Union" in Romano Prodis Mitte-Links-Koalition. Mit Fausto Bertinotti wurde ein PRC-Vorsitzender 2006 auch Präsident der Abgeordnetenkammer.

Problem Zersplitterung

Den erfolgreicheren unter den Linksparteien ist es gelungen, das "gesellschaftliche Empfinden auch an der Wahlurne umzusetzen", meint Helmut Scholz. "Das sozialistische Gesellschaftsmodell wird in Staaten wie Frankreich, Italien, Griechenland, Norwegen oder Schweden durchaus als positiv empfunden. Wie sich das dann konkret niederschlägt, ist allerdings eine andere Frage." Außerdem komme es sehr auf die Außenwirkung einer Partei an _ und wie stark die Zersplitterung des linken Lagers in einem Land sei. "Eine Schwäche ist: Es gibt ein Ziel, zehn Meinungen und 15 Wege, wie man diese umsetzen sollte."

Eine wichtige Komponente für die Stärkung des linken Lagers in europäischen Ländern ist die internationale Entwicklung, repräsentiert durch die EU und die Globalisierung. Obwohl es unter den linken Parteien durchaus viele gibt, die der Idee der Europäischen Union positiv gegenüber stehen, haben die meisten Schwierigkeiten damit, dass "Brüssel" als abgehoben erscheint und zu Beschlüssen hinter verschlossenen Türen neigt. Diese Furcht vor Entscheidungen, die immer weiter von den Betroffenen wegrücken, teilen viele Wähler der Linksparteien. "Die EU wirkt wie eine Klammer - positiv oder negativ", meint Scholz.

Ebenso verhält es sich mit der Globalisierung. Das wachsende Lager der Globalisierungsgegner, das Zulauf aus immer mehr Gesellschaftsschichten erhält, ist ein reiches Wählerreservoir für die europäischen Linksparteien. Den nicht ganz unparteiischen Helmut Scholz macht diese Entwicklung jedenfalls optimistisch: "Es wird sicher eine Renaissance des Sozialismus in Europa geben." Auch wenn der auf die Herausforderungen, die an ihn gestellt werden, wie die Globalisierung, derzeit die Antworten noch schuldig bleibt. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2007)

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