Österreich: Der beste und der schlechteste EU-Vertrag

Parteien lieferten sich Schlagabtausch um Reformwerk, Antrag auf Volksabstimmung gescheitert.

Wien/Klagenfurt. Die politischen Parteien im Nationalrat stellten die Österreicher am Donnerstag vor eine schwere Entscheidung. Denn je nachdem, wem man glaubt, ist der neue EU-Vertrag entweder einer, der die Demokratie in der Europäischen Union und in Österreich fördern wird (SPÖ, ÖVP, Grüne) oder er ist „kalt, herzlos und unnahbar“ (BZÖ) und wird die „gesprengten Ketten des Bundesadlers wieder zusammenschmieden und unserer Heimat die schweren Brüsseler Handschellen anlegen“ (FPÖ).

Doch egal, was die Bürger über den neuen EU-Vertrag denken, sie werden die Abstimmung darüber den von ihnen gewählten Vertretern im Nationalrat überlassen müssen. Denn die FPÖ scheiterte mit einem Antrag auf eine Volksabstimmung. Dieser wurde nur vom BZÖ unterstützt.

Das BZÖ will demnächst aber wenigstens in Kärnten eine Volksbefragung zu dem Thema veranstalten. Dabei soll sich, so Landeshauptmann Jörg Haider, herausstellen, ob die Bevölkerung des Landes dem EU-Reformvertrag zustimmt oder nicht. Das BZÖ ist mit diesem Ansinnen allerdings bereits einmal im Landtag abgeblitzt, deshalb sollen jetzt 15.000 Unterstützungs-Erklärungen gesammelt werden. Eine aufwendige Kampagne ist in Vorbereitung. Selbst wenn das geplante Referendum ein negatives Votum erbringen sollte, wird das aber keine Konsequenzen haben. Denn der Landtag ist für diese Frage gar nicht zuständig.

Die große Europa-Debatte im Nationalrat illustrierte einmal mehr, dass der Reformvertrag von Freunden und Feinden nach Gutdünken ausgelegt werden kann. Dass das sogar für die Befürworter gilt, zeigten die Wortmeldungen von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SP) und SP-Klubchef Josef Cap. Während Gusenbauer betonte, dass die „Herzstücke des Verfassungsvertrags“ auch im neuen Reformwerk erhalten geblieben seien, meinte Cap: „Das ist keine Verfassung und keine Gesamtänderung der österreichischen Verfassung.“ Einig waren sich alle nur in einem Punkt: dass der Vertrag durch die vielen Kompromisse mittlerweile unleserlich ist.

Der neue EU-Vertrag soll die Grund- und Bürgerrechte stärken und die Arbeitsweise der EU durch mehr Mehrheitsentscheidungen effizienter gestalten. Außerdem gibt es zum ersten Mal das Recht auf Austritt. Am 13. Dezember wird der Vertrag unterzeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2007)

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