Populisten, Nationalisten und ein Bischof

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Rumäniens Europawahl steht bevor. Doch auch die gute EU-Stimmung motiviert nicht zur Teilnahme.

SAZALAC. Noch sind die Wahlkabinen im Kulturzentrum des westrumänischen Straßendorfes Sazalac gegen die feuchte Wand gerückt. Doch über dem Podium ziert bereits einsam eine Europafahne den blätternden Putz. Orangefarbene Schals baumeln um die Nacken der Würdenträger hinter den Pressspan-Tischen. Mehrere Dutzend betagte Herrschaften und jugendliche Wahlhelfer in orangen Neonjacken lauschen auf der Veranstaltung der oppositionellen Demokraten (PD) schweigsam den Wahlkampf-Anstrengungen der lokalen Partei-Funktionäre. Endlich kommt auch der Kandidat aus der Provinzhauptstadt Temesvar (Timisoara) kurz zu Wort. Er wolle im Europaparlament den Anliegen seiner Wähler zum Gehör verhelfen, versichert der Universitäts-Professor Nicodim Bulzescu: „Ich werde dazu beitragen, das Image Rumäniens zu ändern.“

Verspätet und lustlos kürt der EU-Neuling Rumänien am kommenden Sonntag seine 35 Abgeordnete für das Europaparlament. Zwar werden die Wähler in einem Referendum gleichzeitig auch über die Einführung eines Mehrheitswahlrechts nach französischen Vorbild entscheiden. Aber nicht nur wegen des geringen Interesses der Öffentlichkeit, sondern wegen des eher matten Wahlkampf der Parteien kommt in dem 21,6-Millionen-Einwohner-Staat keine Begeisterung auf.

Dabei wäre die Europawahl tatsächlich wichtig für das neue EU-Land, um auch im Europaparlament an Gewicht zu gewinnen. Die besten Chancen auf einen Wahlsieg hat die dem rechtspopulistischen Staatspräsidenten Traian Basescu nahestehende Demokratische Partei (PD). Sie liegt in Umfragen zwischen 37 und 40 Prozent, gefolgt von den oppositionellen Sozialdemokraten (PSD) mit 18 bis 19 Prozent und der regierenden National-Liberalen Partei (PNL) mit 16 bis 18 Prozent.

Neben den etablierten Parteien beteiligen sich auch diesmal einige populistische und nationalistische Gruppen wie die Partei des Geschäftsmanns Gigi Becali oder die Groß-Rumänien-Partei (PRM) an der Wahl. Die „Groß-Rumänien“ hatten zuletzt im Europaparlament mit ihren fünf Abgeordneten für Aufregung gesorgt, weil sie mit ihrem Austritt die Fraktion der rechten Parteien – unter ihnen auch FPÖ-Abgeordneter Andreas Mölzer – gesprengt hatten. Im Europaparlament wird wohl auch deshalb die Rumänien-Wahl mit gemischten Gefühlen verfolgt. „Wir wissen nicht, ob erneut extremistische Kandidaten hier landen“, so ein Abgeordneter. Zum bunten Bild der Kandidaten trägt jedenfalls bei, dass sich auch der umstrittene reformierte Bischof Laszlo Tökes als unabhängiger Kandidat aufstellen ließ.

Vom Wahlkampf ist nicht nur wegen der ungewohnt geringen Zahl an Politiker-Plakaten wenig zu spüren. Staatliche Informations-Kampagnen über die Arbeit und Bedeutung des Europaparlaments sind rar, die Medien interessieren sich ähnlich wie in Österreich eher für die Gehälter und die Dienstwohnungen der Europaparlamentarier als für deren Arbeit. Auf bis zu 50 Prozent wird die Wahlbeteiligung von den wenig verlässlichen Umfragen der Meinungsforscher geschätzt. Analysten schließen indes ein Debakel mit einer Beteiligung von unter 25 Prozent nicht aus. Es sei „schwierig“ den Leuten, Europa zu erklären, räumt Politik-Neuling Bulzescu offen ein: „Die Rumänien mögen die EU, erwarten viel Gutes von ihr – aber sie kennen sie nicht.“

Für 1000 Euro nach Straßburg

Das Monatsgehalt eines rumänischen Europaabgeordneten beträgt derzeit rund 1000 Euro – erst nach den nächsten Europawahlen sollen EU-weit alle Abgeordneten dasselbe Salär beziehen. Für rumänische Verhältnisse sei das derzeitige Gehalt eines Europaparlamentariers zwar ein „Vermögen“, für Politiker allerdings nur ein Trinkgeld, sagt Radu Florea von der Bukarester Stiftung Transforma: „Hier wird man Politiker, um seine Geschäfte abzusichern. In Bukarest spielt die Musik – und ist das Geld.“ Der Gang nach Brüssel und Straßburg ist dagegen wenig attraktiv.

Die Parteien sehen in den Europawahlen vor allem einen Stimmungstest: Besonders die PD von Präsident Basescu hofft, sich als stärkste Kraft des Landes bestätigen zu können. Bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung gelten Überraschungen allerdings als nicht ausgeschlossen.

Als Infrastruktur-Experte und dank seiner Erfahrung mit internationalen Forschungsprojekten sieht sich Kandidat Bulzescu einer Entsendung nach Straßburg durchaus gewachsen. Das Land brauche eine „neue politische Klasse“, erläutert der 52-Jährige seinen späten Seiteneinstieg in die Politik. Mit der Europawahl habe sich ihm die Möglichkeit eröffnet, sich selbst „als Akteur“ einen Zugang zum Polit-Parkett zu verschaffen. Zweifel an seiner Wahl hegt der grauhaarige Politik-Novize keine: „Ich bin ein Sieger-Typ – wie unser Präsident.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2007)

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